Beckeraachen

Kunstwechsel


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Ostereier

Ostereier – eine Kalendergeschichte

Der Schornsteinfeger, der unsere Therme kontrolliert, sah die bemalten Ostereier auf unserem Küchentisch und erzählte, er sei in einem Fischerdorf an der Nordsee eingeschult worden. Ihm hatten damals sechs weiße Gänse gehört, die ihn zur Schule begleiteten, auf der Wiese davor warteten und nach dem Unterricht nach Hause brachten. Sie zischten, wenn andere ihn angriffen. Am Montag nach Palmsonntag bot er in der Schule Gänseeier zum Bemalen an. Unter seinen Freunden war ein Rumäne aus der Bukowina, der Bilder von den Klöstern seiner Heimat zeigte, die überbordend mit Geschichten aus der Bibel bemalt waren. Mit den Mustern, die er dort kennengelernt hatte, bemalte er sein Ei und zeigte es den Gänsen. Sie klapperten mit den Schnäbeln, und er wusste, sie lachten. Aber einer gelang doch, Eier zu legen, die an Farbreichtum und Mustern das des Rumänen übertrafen. Er musste ihr glauben: der Flaum am Bürzel zeigte Reste der Farben. Und sie übertraf ihn: ie wiederholte nicht sein Dekor, sondern erfand andere, wie er sie aus Rumänien kannte. Sie war eine rumänische Gans.

Das reiche Repertoire dieser Muster ist in Moldawien nicht nur auf Klosterwänden und Ostereiern, sondern auf Tischdecken und Servietten, Hemden und Pullovern bekannt. Der Schornsteinfeger schenkte mir dieses Farbfoto. Eines der Eier habe der Rumäne bemalt, fünf seien Arbeiten der Künstlerin-Gans. Frohe Ostern! sagte er und meinte, die Eier, die die Russen zu Ostern auf die Gräber legen, seien lange nicht so schön wie die rumänischen. Ihren Gänsen mangele es eben an Kreativität. Der Gedanke, dass sie gut gextopft geschlachtet werden, gefiel uns beiden nicht.

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Mao und die nackte Frau

Mao und die nackte Frau – eine Kalendergeschichte

Sie wussten nicht, dass Mao Zedong im September sterben würde. Der Kultursekretär der rotchinesischen Botschaft und der Ausstellungskurator stritten sich im Frühjahr 1976. Warum musste ein Isländer so ein Bild malen? Warum erscheint Mao hinter einer blonden nackten Frau? Der Kultursekretär blättert im Ausstellungskatalog, der der “Roten Bibel“ des Mao Zedong nachgebildet ist. Haben Sie Maos Buch gelesen? Oh ja, meine Freunde und ich besitzen die deutsche Ausgabe, seit sie 1972 erschienen ist, Warum wollen Sie das Bild nicht anschauen?  Es ist eine Majestätsbeleidigung und imperialistisch. Wer ist diese Frau? Die Edda? Europa? Diese zarte, schamhafte Nackte? Alle Frauen in Europa wünschen sich, so schön zu sein wie sie: Aphrodite, Venus, die im Mittelmeer aus dem Schaum von Samen und Blut des Gottes Uranus emporsteigt. Widerlich! Keine Chinesin würde dieser Frau nacheifern. Aber jede möchte im Ballett der Roten Garden tanzen. Der Italiener Sandro Botticelli hat die Venus vor 550 Jahren gemalt, und viele kennen sie von Postkarten. Und ich kenne das Foto, das dwe Isländer benutzt hat: Es zeigt Mao auf dem langen Marsch 1934. Er war 41 Jahre alt und schaffte es, die Volksrepublik China zu gründen. Und? Wer hat das Foto gemacht? War es nicht der deutsche Kommunist Otto Braun, der ihn als Vertreter der Moskauer Komintern begleitete? Das will ich nicht wissen. Niemand fragt nach dem Autor eines Fotos, Der Isländer hat es gefunden. Wofür steht es? Für die „Gelbe Gefahr“. Was ist das? Die Angst vor der gelben Gefahr ist entstanden, als die Europäer Kolonien in Afrika und Asien einrichteten. Der deutsche Kaiser Wilhelm hat sie massiv gefördert. Sie lebt dort weiter, wo die Wirtschaft Chinas sich auf allen Marktplätzen der Welt ausbreitet. Der Isländer Erro Gudmunson setzt vor das Ideogramm der vordrängenden militärischen Kultur der neuen Volksrepublik wie ein übermächtiges Schutzschild das uralte der europäischen Göttin der Liebe, der Fortpflanzung und des Friedens. Der Kulturattaché lächelt: der Isländer hat nicht zur Kenntnis genommen, dass jetzt Deng Xiao Ping Mao abgelöst hat. Um die Chinesen zu verstehen, sollten die Europäer nicht mehr die Rote Bibel, sondern die Schriften des Konfuzius lesen. Kommen Sie nach Peking, um gute Kunst kennen zu lernen.


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Banksy`s Superwoman

BANKSY`S  SUPERWOMAN – eine Kalendergeschichte

Alle Kunstwerke, die in internationalen Auktionen Rekordsummen erreichen, betrachten verächtlich ein 1 m² großes Bild, das, wie die Massenmedien und Fachzeitschriften berichten, 20 Millionen € eingebracht hat. Jener Tulpenzwiebel Semper Augustus, die in Amsterdam 1637 für 30.000 Gulden den Besitzer wechselte, traute man zu, dass sie eine wunderschöne Blume hervorbringen würde, doch dieses Abbild zeigt nicht mehr als einen hockenden Jungen, der in seiner linken erhobenen Hand die kleine Puppe einer Krankenschwester betrachtet, und einen Papierkorb, in dem ihm verworfene Figurinen von Batman und Spiderman zuschauen. Ein leichter Schatten liegt auf seinem Gesicht; er hockt irgendwo. In Fotos von mir in seinem Alter sehe ich ihm ähnlich: ein mitteleuropäischer Junge. Er scheint sich über die kleine Krankenschwester mit Mundschutz nicht zu freuen, und seit der  Künstler das Bild in Instagram bekannt gemacht hat, sollten alle wissen, dass er sie bewundert und mit ihr leidet: eine von jenen, die mühevoll gegen ihre Ermüdung um das Leben unzähliger Ovid-19-Opfer kämpfen. Nicht ihnen allein, sondern der Universitätsklinik in Southampton und dem nationalen Gesundheitsdienst NHS soll die erzielte Summe zugutekommen.

Banksy hat das Bild nicht dem Krankenhaus geschenkt, damit es dort im Vestibül seine Botschaft mitteilt, sondern im weltberühmten Kunstauktionshaus Christies für eine Rekordsumme versteigert wird. So kann er mit Picasso und Raffael wetteifern. Niemand wird fragen, ob das Bild sich neben dem Porträt einer Frau mit Artischocke des spanischen Meisters behaupten kann; und kein Kunstkritiker, der Wert darauflegt, in den Medien eine Rolle zu spielen, wird wagen, diese liebenswürdige, bescheidene Illustration einem Akademieschüler zuzuschreiben. Mit einem Versteckspiel sondergleichen und einem anarchischen britischen (?) Humor ist es dem street artist wie keinem Künstler seiner Generation gelungen, enorme Einnahmen zu erzielen und kritisch wohltätig auszugeben: ein Hotel in Palästina, ein Rettungsschiff im Mittelmeer, ein Krankenhaus in England…..

Verborgen ist er, und wir stellen uns vor, dass er eine schöpferische Gruppe ist, geschützt vor staatlichen Eingriffen – wie Shakespeare in seinem Theater, dessen Angriffe auf das Königshaus unerwidert blieben. An seiner Biografie wird bis heute gearbeitet. Der Kunstmarkt hat Banksy integriert, und Museen sind bereit, seine Werke aufzunehmen. So trägt er dazu bei, den Bezirk, dem das Grundgesetz Freiheit garantiert, zu erweitern. Die Eitelkeit, die Künstler verleitet, ihre Werke zu signieren, vor sie zu treten, um sie zu kommentieren, sogar sie selbst zu sein, hat er spöttisch hinter dem Vorhang eines Straßentheaters verborgen. Das Bild, die liebenswerte Zeichnung, die eine herzliche Szene entwirft, ist nur der Anstoß zu einem Welttheater, dem Shakespeare applaudiert hätte.


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En tropicus

ENTROPICUS ARS POINT

Eschbachstraß21, 5108 Monschau, und Messeweg 21, 5108 Kalterherberg, Telefonnummern, Bankkonten in Monschau und St. Moritz. Entropicus verschickte 1982 ein feines großes Dossier mit Anschreiben, Texten und Grafiken auf vielfarbigen Cibachrome –  und Büttenpapieren, Folio, DIN A 2, hergestellt in der Druckerei Offermann in Roetgen, und bot das komplette Projekt einer Kunstaktion auf den Straßen mehrerer Städte an. Die schöne Mappe blieb unbeachtet und tauchte jetzt zufällig auf; der Name erregte Neugier, weil etliche Schriftsteller (Chris Deggs) und Künstler den rätselvollen Bezug zum thermodynamischen Gesetz der Entropie benutzt haben, um Websites zu gestalten und Bücher zu schreiben, die von der sagenhaften Insel Atlantis und vom Versinkn der Welt im Chaos handeln. Man findet unter ihnen einen Manfred Kustermann, der eine jugendstilige grafische Sprache gebraucht und ein leidenschaftlicher Surfer ist. Aber auch er ist zu jung, um bis 1981 zurückzureichen. Den Telefonnummern, die in den Anschreiben genannt sind, antwortet keiner mehr. Ich werde in die Eschbachstraße in Monschau fahren, um das Haus zu finden, in dem Entropicus gewohnt hat.

Das Projektpapier sagt, dass Sammler, Sponsoren und Galerien gebraucht werden. Rauten und Kreise in Form von Verkehrszeichen enthalten Inhaltsangaben und Botschaften zur „Straße der Fantasie“,“phanta rows cities“ und „pr-highlights“. Die Ausstellung „Arte Viva“ soll zehn Tage lang stattfinden, im Mai in Monschau, im Juni in Aachen, im Juli in Zürich., von Juni bis September 100 Tage zur documenta in Kassel, im Oktober 20 Tage in Frankfurt rund um die Buchmesse. D.S.D. Frostu wird die Aktion in Aachen leiten. Sie hat 4 Kapitel: 1. auf den Straßen 2. Signale der Historie 3. Tradizio & Futura 4, Markt der Kunst. Und soll – die Aufwendungen sind einzeln aufgeführt – 46.000 DM kosten. Sponsor: die Music Production .Entropia in London. Dort scheint der homo entropicus entstanden zu sein.

Im Gegensatz zu den unheilvollen Visionen, die solche Autoren wie Chris Beggs entropisch entwickeln, ist die Bildsprache des Monschauer Entropicus kosmisch heiter, von mikro- und makrobiologischen Elementen durchzogen, jn hellen, bonbonfarbigen Akkorden; die Kugeln auf dem abgebildeten Cibachrome-Blatt könnten fantastisch kartografierte Erdbälle oder Luftballons sein, die Menschen in ein freundliches Weltall entlassen.

Ich wüsste gern mehr über den Monschauer Entropicus und bitte hier die Lesergemeinschaft um Auskünfte.


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Models

M O D E L S

Eine Kalendergeschichte

In dem 3Sat-Film „My Body – My Art. Frauen. Körper. Kunst.“ sagt Annique Delphine, sie habe früher zuweilen „gemodelt“ – eine einträgliche Tätigkeit für Menschen, die gut gewachsen sind und es gern zeigen. Models sind Mannequins und „Probierdamen“ gefolgt. Coco Chanel und Elsa Schiaparelli brauchten sie auf den Laufstegen, um ihre Kreationen von Kleidern für die neue Frau der zwanziger Jahre zu präsentieren. In dem Überfluss der europäischen und amerikanischen Konsumgesellschaften zwischen den Weltkriegen entstand eine Berufsgruppe zwischen Laufsteg und Fotostudio, Modezeitschrift und Playboy, Casting Shows, Spielfilmen und Performance Art – eine der wenigen Gruppen, in der Frauen mehr verdienen als Männer. Vogue, Harper’s Bazaar und Elle verbreiteten weltweit FASHION, BEAUTY, CELEBRITY und beschäftigten renommierte Fotografen wie Edward Steichen, Horst P. Horst, Cecil Beaton und Helmut Newton.  Überall lagen die glanzvollen Hefte auf den Coffee Tables von Frauen, die die Zeitenwende als Befreiung feierten.

2020 erschien in einer Kölner Versteigerung ein Ölgemälde von Herbert Rolf Schlegel „Models am Ammersee“ von 1930, 120 x 150 cm groß. Sieben Frauen in mittlerem Alter füllen es aus. Sie stehen auf einer Landzunge vor dem hellen, wolkenlosen Himmel über dem See aund führen zeitgenössische Kleidung vor: kurze Pluderhosn, ein geschürztes Tanzkleid, gestreifte Shorts, Kniestrümpfe, Schnürstiefel, Pumps.  Sie sind offensichtlich nicht professionelle Mannequins, sondern kräftige, sportliche Frauen, die sich und dem Maler den Spaß erlauben, Stücke ihrer Garderobe vorzuführen. Der Maler variiert ihre Stellungen in Stereotypen: die Kokette, die sich abwendet und zugleich den Kopf dem Betrachter zuneigt; die Schüchterne, die ihre Arme über der Brust verschränkt und zur Seite schaut; die Zarte, Betörende mit Sonnenschirm; die maskuline Hauptfrau, den Daumen im Gürtel der kurzen Hose. Könnten sie und die links Hinzutretende nicht verkleidete Männer sein? Der Maler selbst? Schlegel spielte gern androgyn mit den Merkmalen der Geschlechter. Das Bild zeigt, dass er in der Sphäre der „Neuen Sachlichkeit“, des „Magischen Realismus“ groß geworden ist Aber er liebte auch Vorbilder für seine Komposition in der Kunstgeschichte – wie Botticellis Bild „Primavera“ – „Der Frühling“, in dem sich acht Personen in den Vordergrund drängen. Schlegel lebte und arbeitete seit 1924 als Kunsterzieher im Landschulheim Schondorf am Ammersee, einem Hotspot nahe München, nachdem er in der Kasseler Akademie eine gründliche Ausbildung erhalten hatte. Kolleginnen, Lehrerinnen des Internats, mögen seine Modelle gewesen sein.

Er starb dort 1972 und hinterließ ein Oeuvre, das der Aachener Sammler Axel Hinrich Murken zusammengetragen hat und vom März bis August 2021 im Museum Haus Opherdicke in Holzwickede ausstellt. Das Bild der Models vom Ammersee ist leider nicht darunter. Der heitere, spöttische Ton, den es ausstrahlt, kehrt in den Bildern, die ihm folgen, nicht wieder. Die Frauen sind nicht mehr als Models aufgetreten.


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Peinture Vache

PEINTURE VACHE – MIT KUHSCHWÄNZEN MALEN

Es gibt nicht viele Künstler, die vor  50 Jahren wagten,  sich mit der „Kommunikationsguerilla“ in den Straßen, den anonymen Wandmalern, den Grafittisten, Sprühdosen-Anarchisten, Billboard-Artists, Cartoonisten, Stadteilkultur-Animatoren und Pflastermalern auseinander zu setzen – allen, die nicht auf Galerien und Museen, Kunst- und Museumsvereine zielen,  die ihr Publikum duzen und  nichts malen, was die Passanten nicht verstehen, und dort malen, wo ihre Arbeiten gesehen werden müssen.

Die „Akademiker“ verachteten sie und wehrten sich. „peinture vache“ heißt das, was René Magritte Im kulturellen Chaos der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts in Brüssel malte: eine Serie von Bildern, schnell und roh gemalt, angereichert mit Zitaten aus zeitgenössischen comic-strips. Das Pariser Publikum war empört.Und gleichzeitig erfand Jean Dubuffet die „art brut“, in der Werke von Außenseitern, Visionären und Geisteskranken Platz fanden. Die New Yorker Kunstszene nannte solche Fluchten aus dem akademischen Canon später „bad painting“.  In der Düsseldorfer Akademie sympathisierten Milan Kunc und Jörg Immendorff mit der „Straße“. Immendorff hatte als Wappentier nicht eine Kuh, sondern einen Affen gewählt. Zur Befreiung Dänemarks von den Deutschen malte er ihn 1995 auf einen der Bunker an der Küste Jütlands.(siehe mein Foto) Man erinnert sich, dass Picasso und seine Freunde im „Lapin Agile“ ein Bild mit dem Schwanz eines lebendigen Esels malten. „peinture vache“ macht Spaß.

In den 70er Jahren überschwemmten die Roten Garden Chinas die Welt mit ihren Vervielfältigten Revolutionsbildern, und der Isländer Erro folgte ihnen und seinem Schwiegervater, einem asiatischen Plakatmaler, in seinen „Tableaux Chinois“ – kurzum: der akademische europäische Kunstcanon löste sich nicht nur an seinen Rändern auf, wo nach der Fotografie zahlreiche andere neue Medien eindrangen, sondern in seinem Mitte, wo die Vorstellungen klassischer Ölmalerei nicht nur durch Acryl und neue Bildträger, sondern auch ihre Orte (Bahnhöfe und Fabrikhallen) aufgelöst wurden.

Der berühmteste Maler heute ist zweifellos der Held der Kommunikationsguerilla, der Engländer Banksy, dem Wikipedia eine ausführliche Biografie widmet Er korrigiert das Künstlerselbstverständnis erheblich, indem er darauf verzichtet, sich in den Medien über sein Werk zu erheben, indem er in flagranti arbeitet, durch die Orte, die er besetzt, poliische Akzente geltend macht und seine Einkünfte für das internationales Gemeinwohl einsetzt. Kein Künstler hat wie er beweisen können, dass die Wertvorstellungen von Kunstwerken Ergebnisse simplistischer Manipulationen sind.

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m letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts hat Joseph Beuys die europäische Kunstszene messianisch beherrscht. Lassen sich die beiden Epochen nach ihren kulturellen Leitfiguren   deuten? Hat die allgegenwärtge Botschaft, jeder Mensch sei ein Künstler, in Bristol Fuß  gefasst?

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