Beckeraachen

Kunstwechsel


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Sterne

 

1962 begann das EUROPEAN SOUTHERN OBSERVATORY (ESO) in der chilenischen Atacama Wüste seine Arbeit.  Für eine Sternenkarte der gesamten südlichen Hemisphäre entstanden in den 70er Jahren 2 Sets von je 606 Fotos. Eines dieser Sets (Negative auf Film) erwarb Thomas Ruff 1989 und schuf eine Serie von mindestens 12 großen Fotoarbeiten (verschiedene Größen bis zu 350 x 200 cm).  In den 70er Jahren hatte die Amerikanerin Vija Celmins begonnen, mit Graphit auf Acrylgründen Galaxien zu malen, eindrucksvolle dunkle Bilder auf Papier, kleiner als die Fotoarbeiten von Ruff. Es gibt andere Beispiele. Seit dem 15. Jahrhundert haben Künstler das Firmament gemalt. Astronomen bestätigen, dass Vincent Van Gogh die nächtlichen Himmel nicht erfunden, sondern den Lauf der Sterne und Sternschnuppen beobachtet hat. Und als 1969 der 1. Mensch den Mond betrat, begannen viele Künstler die Fotos zu bearbeiten, die Präzisionskameras aufgenommen hatten.

Die 384.400 km zwischen uns und dem Mond lassen uns keine Zeitverschiebung empfinden. Touristen bereiten sich im Silicon Valley zu Tagesausflügen vor. Aber das kosmische Universum, das die Teleskope aufnehmen, ist nur in seinen Bildern gegenwärtig, vergangen, ausgelöscht seit Tausenden von Jahren; wir blicken in seine Geschichte und fragen nach seinem Ursprung. Folglich sind alle Bilder des Weltalls, die Künstler erarbeiten, andere als solche, die sie auf der Erde wahrgenommen und wiedergegeben haben; und es versteht sich, dass sie die Neugier der Wissenschaftler mit der ihnen eigenen Fantasie reichlich füttern.

Wir können nicht ermessen, welche Energien Oberflächen und Atmosphären benachbarter Planeten zerstört haben. Aber wir haben Gründe anzunehmen, dass die Menschen selbst die existentiellen Gefährdungen der Erde verursachen. Wären sie nicht bereit, das Verhältnis zu ihrem Wohnort  schnell und gründlich zu verändern, so bleibt ihnen nicht erspart, nach anderen Sternen auszuschauen, die sie aufnehmen könnten.

Abb. Richard Hamilton Digitaldruck „The Heaventree of Stars“ 1998

nach James Joyces Beschreibung des Nachthimmels im „Ulysses“:

Sternkarte des Nordhimmels

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Museum – Kerker 3

M US E U M   K E R K E R   3

D A S   S C H A T Z H A U S

Jene, die die Schönheit eines Mannes bewundert, seinen Blick, seine Brust, seinen Waschbrettbauch, seine Afterbacken, seinen Gang, folgt ebenso einem biologischen Zwang  wie die Pfauenhenne, die der Faszination des blau glitzernden Rades erliegt, das der schlägt, der um sie wirbt. Aber wir finden ihn nicht mehr bei Menschen, die Hunderte von Schmetterlingen durchbohren und in Vitrinen ausbreiten oder zahllose Blumen in einem Garten pflegen – oder gemalte Stillleben aus vielen Ländern und Jahrhunderten sammeln.  Sie sind der Schönheit der Farben in vielerlei Erscheinungen erlegen, und wenn wir nicht nach rationalen oder gar wissenschaftlichen Gründen suchten, könnten wir ihre Besessenheit als eine Sublimierung oder gar Perversion des biologischen Zwanges betrachten. Die Schatzhäuser der europäischen Antike begleiteten die Tempel der Götter und füllten sich mit geweihten, religiösen Gegenständen der Verehrung. Götter sind Sinnbilder der Vollendung der Menschen; Götter sind schön. Sie darzustellen und göttergleiche Menschen ihnen nachzubilden in Marmorstatuen und Reliefs, auf Vasen und auf Wänden blieb lange das höchste Ziel der Künstler, die dazu berufen waren, bis die Götterbilder hinter den Menschenbildern verblassten. Langsam wurden auch die Tesauri Tresore und Banken, bis diese aufhörten, Gold und andere Wertgegenstände aufzubewahren, die in realem Geld gezählt werDie aufblühenden Wissenschaften beherrschten dagegen die Museen der letzten Jahrhunderte; sie schufen die Schönheit in ihren Ordnungen: Gerippe und Tierpräparte aus der Zeit vor den Menschen, Versteinerungen vom Paläolithikum bis zu Fundstücken von Mond und Mars, Skulpturen, Wandmalereien, Ikonen, Gemälde von Altägypten bis in die Neuzeit: von Raum zu Raum folgen wir im Louvre der Chronologie der Jahrhunderte, und nur dort, wo den Historikern die Dokumente und Überlieferungen fehlen, ersetzen sie die Chronologien durch Topografien und Stammesbezeichnungen: Eskimos, Sioux, Apachen, Azteken, Inkas, Dogon, Berber, Senufo, Ashanti, und bedauern, unzählige Zeugnisse dieser Kulturen zerstört zu haben.

Die Raubzüge der Europäer haben dazu beigetragen, den Konsens über Schönheit zu vernichten. Die Importe afrikanischer Skulpturen um 1900 haben nicht nur den „Demoiselles d´Avignon“ des jungen Picasso ihr Gesicht gegeben. Das Afrika-Museum im belgischen Tervuren, das aus einem „Kongolesischen Dorf“ 1898 entstanden ist, das König Leopold II. aus seinem Freistaat Kongo importierte, bietet das komplette Bild einer kulturellen Aneignung. Erst die neuen Museen in den arabischen Emiraten versuchen, gleiche Bilder in Objekten verschiedener Weltkulturen vergleichend nebeneinander zu zeigen. Dort entstehen Schatzhäuser, die frei sind vom Ballast einer kriegerischen Geschichte, weil alles, was sie erwerben, aus einem Trümmerfeld zusammengetragen ist, das sie nicht verursacht haben.

Das Bildungsmodell dieser Museen ist gering von Erinnerungen belastet, wie sie unsere europäischen Schatzhäuser füllen. Sie beherbergen Zeugnisse heimischer Künstler, die die kulturgeschichtliche Bedeutung der Standorte illustrieren. Die Schönheit dieser Gegenstände liegt in ihrer Verbindung mit dem heimischen Besucher: ein Bild von Stefan Lochner für den Kölner, August von Brandis für den Aachener, Carl Joseph Begas für den Heinsberger.  Sie erzählen von Epochen, in denen Sammler ihrer Heimatstadt weltweite Aufmerksamkeit geschenkt haben: James Simon in Berlin, Frieder Burda in Baden-Baden und Peter Ludwig in Aachen.

Abb. Afrika-Museum Tervuren, Belgien

 

 

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Museum Kerker 2

M U S E U M   K E R K E R   2

M U S E U M   +   F O R U M

Emma Duiker in der Novelle „Duell“ von Joost Zwagerman hat mich angeregt, über die Institution Museum nachzudenken. Die Behauptung eines Besuchers „Das kann ich auch“ „A child could do it“ verwandelt das Museum in eine Vorbildsammlung und Lehranstalt, wie sie die englische arts-and-crafts-Bewegung des 19. Jh. in das Kunstgewerbe getragen hat. Die Verehrung der Alten Meister und ihre Nachahmung hat die chinesische Kunstgeschichte seit dem 10. Jh. bestimmt und verwirrt den zeitgenössischen Betrachter bei seiner Suche nach Chronologien. Aber auch die Nazarener und die Präraffaeliten im frühen 19. Jh. haben sich bemüht, den Italienern des 15. Jh. nachzueifern. Erst der radikale Paradigmenwechsel um 1900, das Zerbrechen akademischer Traditionen, die Ablösung des Handwerks der Malerei von den Aufgabe, einen Gegenstand der sichtbaren Welt darzustellen, und die Entgrenzung bildkünstlerischer Arbeit in die Felder der Fotografie, der Massenmedien, des Theaters, Tanzes und der Musik haben einerseits die Schatzhäuser der alten Kunst in verehrungswürdige Tempel und Pilgerstätten verwandelt und andererseits einen neuen Typus der Kunsthalle, des Kunstpalastes, des Kunsthauses, des Forums geschaffen, in dem KUNST in allen Facetten ERLEBT werden kann – nicht anders als die Erfindungen zeitgenössischer Technik in den Industriemuseen, die sie versammeln.

Als Sammelstätten ungezählter Erfindungen scheitern solche Foren häufig an mangelnder Übersicht und kulturpolitischer Mission. Während sie ermüden, findet die Kunst auf der Straße statt. Die Graffiti-Schreiber der Bronx hatten vor 50 Jahren, als sie unerlaubt die New Yorker Subway illustrierten, die Mission, die Verelendung ihrer Lebensorte lautstark und provozierend zu beklagen. Seitdem ist eine Gattung der visuellen Kunst entstanden, die ebenso wenig eine Geschichte hat wie die abstrakte Malerei und Skulptur vor ihr. Und sie hat sich an ihren Rändern ebenso in die offizielle Wandmalerei, in Werbung und Verschönerungsprogramme ausgebreitet wie ihre Vorgänger in das Graphic Design.

Ihre kulturpolitische Mission ist versandet. Es macht Spaß, mit Spray Gun und Pochoir nachts waghalsig ein schwer leserliches, arabisch anmutendes Ornament auf den Beton einer Unterführung zu heften, man ist zufrieden, Honorare öffentlicher Institutionen einzustreichen und lacht über die Anstrengungen der Reinigungskräfte, mit neuartigen Chemikalien „Verunreinigungen“ zu beseitigen.

Die Stadt lebt. Die Freiheit der Kunst hat sich entfaltet, und dort, wo sie ihren privilegierten Platz haben sollte, wo sie Vorbild sein, wo die Bildung der Menschen stattfinden sollte, ist es still. Dieser Zustand ist unerträglich. Die Zuordnung der kulturellen Orte stimmt nicht mehr. Denn eigentlich sollte dort, wo die Stadt lebt, der Mittelpunkt sein, dort sollten alle Arterien, die durch diesen Körper pulsieren, ihr Herz haben. Im FORUM, dem Platz der Volksversammlung in der Antike, sollten alle Instanzen versammelt sein, die das kulturelle Leben einer Stadt bestimmen: Ämter, Vereine, Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Gaststätten, Werkstätten, Kinos und digitale Labors.

Es mag möglich sein, einem Forum eine museale Zelle zuzuordnen, in der wie in einer Vorbildersammlung nachahmenswerte Meisterwerke einer vergangenen Zeit bewundert werden können. Aber das Schatzhaus, in dem die Bilder der Erinnerungen bewahrt werden, ist kategorisch ein anderer kultureller Ort, und kein lebender Künstler sollte wünschen, seine Bilder dort zu sehen.

 

 

 


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Museum – Kerker

Emma Duiker, eine jungen Malerin in Amsterdam, kopiert im Städtischen Museum ein kostbares Meisterwerk von Mark Rothko, hinterlässt die Kopie unbemerkt und setzt das Original in das Zentrum eines „Projektes“: sie befreit es aus dem ästhetischen Kerker des Museums und organisiert eine Tournee, in der es in einer slowenischen Schule für Behinderte und anderen Orten, deren Bewohner nicht zu den privilegierten Kunstbetrachtern gehören, gezeigt wird. Man findet die Geschichte des Bildes in der Satire „Duell“ des Niederländers Joost Zwagerman (deutsch 2016). Zwageman definiert den Wert des Originals an etwa 40 mio. $ und widerspiegelt ein zeitgenössisches Bewusstsein, das bewundernd bedeutende Schätze an ihrem Geldwert misst. Emma Duiker dagegen missachtet den Geldwert, bewundert das meisterhafte Malwerk, eifert ihm nach und wünscht, dass viele dort ihre Bewunderung teilen, wo kulturelle Barrieren nicht existieren.

Das Schatzhaus, der Thesaurus, in dem die Athener kostbare Votivgaben bewahrten, die Schatzhöhle des Ali Baba, der Tresor in der Bank – sie alle verbergen ihre Schätze nicht anders als die zollfreien Lager in New York oder Singapur, in denen teure Kunstwerke auf ihre nächste Versteigerung warten. Ihre Besitzer sind wenigen bekannt.

Als aber in der Epoche der Französischen Revolution Kirchen und Paläste ihre Schatzkammern öffneten, als sie immer mehr Menschen zugänglich wurden, entstand das Bewusstsein, dass die Schätze allen gehörten und alle ein Recht haben sollten, sie zu sehen – und sich mit Reproduktionen von ihnen zu umgeben.

Der Status der Museen ist heute verändert. Viele ihrer Werke sind von den Staaten und Ländern, die sie verwalten, erworben, in Kriegen erobert, in kolonialen Abenteuern geraubt worden, andere wurden ihnen von großzügigen Sammlern geschenkt – ihre Bestände sind buntscheckig und umstritten. Selten gelingt ihnen, eine Epoche sinnvoll zu spiegeln.

Emma Duikers Wunsch, die Kunstschätze der Museen zu befreien, sie in Ämtern, Schulen, Universitäten, Krankenhäusern zu verteilen, ist umso verständlicher, als Tausende von Objekten in unzugänglichen Museumsmagazinen lagern – und umso verständlicher, als das ästhetische Bildbewusstsein, das, was wir Schönheitssinn nennen, unter dem Ansturm der Massen- und sozialen Medien verelendet. Gespräche über solche „Belebungen“ von Kunstwerken sollten nicht im Büro der Bundeskanzlerin enden. Das Bewusstsein, dass die Schätze der Museen allen gehören, schließt den Wunsch ein, sie eintrittsfrei betrachten zu können, und fördert zugleich die Lust, ihnen zu folgen, sie nachzuvollziehen, sie zu fälschen und zu kopieren. Emma Duikers ist ein großartiger Rothko gelungen.