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Kunstwechsel

Museum – Kerker 3

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M US E U M   K E R K E R   3

D A S   S C H A T Z H A U S

Jene, die die Schönheit eines Mannes bewundert, seinen Blick, seine Brust, seinen Waschbrettbauch, seine Afterbacken, seinen Gang, folgt ebenso einem biologischen Zwang  wie die Pfauenhenne, die der Faszination des blau glitzernden Rades erliegt, das der schlägt, der um sie wirbt. Aber wir finden ihn nicht mehr bei Menschen, die Hunderte von Schmetterlingen durchbohren und in Vitrinen ausbreiten oder zahllose Blumen in einem Garten pflegen – oder gemalte Stillleben aus vielen Ländern und Jahrhunderten sammeln.  Sie sind der Schönheit der Farben in vielerlei Erscheinungen erlegen, und wenn wir nicht nach rationalen oder gar wissenschaftlichen Gründen suchten, könnten wir ihre Besessenheit als eine Sublimierung oder gar Perversion des biologischen Zwanges betrachten. Die Schatzhäuser der europäischen Antike begleiteten die Tempel der Götter und füllten sich mit geweihten, religiösen Gegenständen der Verehrung. Götter sind Sinnbilder der Vollendung der Menschen; Götter sind schön. Sie darzustellen und göttergleiche Menschen ihnen nachzubilden in Marmorstatuen und Reliefs, auf Vasen und auf Wänden blieb lange das höchste Ziel der Künstler, die dazu berufen waren, bis die Götterbilder hinter den Menschenbildern verblassten. Langsam wurden auch die Tesauri Tresore und Banken, bis diese aufhörten, Gold und andere Wertgegenstände aufzubewahren, die in realem Geld gezählt werDie aufblühenden Wissenschaften beherrschten dagegen die Museen der letzten Jahrhunderte; sie schufen die Schönheit in ihren Ordnungen: Gerippe und Tierpräparte aus der Zeit vor den Menschen, Versteinerungen vom Paläolithikum bis zu Fundstücken von Mond und Mars, Skulpturen, Wandmalereien, Ikonen, Gemälde von Altägypten bis in die Neuzeit: von Raum zu Raum folgen wir im Louvre der Chronologie der Jahrhunderte, und nur dort, wo den Historikern die Dokumente und Überlieferungen fehlen, ersetzen sie die Chronologien durch Topografien und Stammesbezeichnungen: Eskimos, Sioux, Apachen, Azteken, Inkas, Dogon, Berber, Senufo, Ashanti, und bedauern, unzählige Zeugnisse dieser Kulturen zerstört zu haben.

Die Raubzüge der Europäer haben dazu beigetragen, den Konsens über Schönheit zu vernichten. Die Importe afrikanischer Skulpturen um 1900 haben nicht nur den „Demoiselles d´Avignon“ des jungen Picasso ihr Gesicht gegeben. Das Afrika-Museum im belgischen Tervuren, das aus einem „Kongolesischen Dorf“ 1898 entstanden ist, das König Leopold II. aus seinem Freistaat Kongo importierte, bietet das komplette Bild einer kulturellen Aneignung. Erst die neuen Museen in den arabischen Emiraten versuchen, gleiche Bilder in Objekten verschiedener Weltkulturen vergleichend nebeneinander zu zeigen. Dort entstehen Schatzhäuser, die frei sind vom Ballast einer kriegerischen Geschichte, weil alles, was sie erwerben, aus einem Trümmerfeld zusammengetragen ist, das sie nicht verursacht haben.

Das Bildungsmodell dieser Museen ist gering von Erinnerungen belastet, wie sie unsere europäischen Schatzhäuser füllen. Sie beherbergen Zeugnisse heimischer Künstler, die die kulturgeschichtliche Bedeutung der Standorte illustrieren. Die Schönheit dieser Gegenstände liegt in ihrer Verbindung mit dem heimischen Besucher: ein Bild von Stefan Lochner für den Kölner, August von Brandis für den Aachener, Carl Joseph Begas für den Heinsberger.  Sie erzählen von Epochen, in denen Sammler ihrer Heimatstadt weltweite Aufmerksamkeit geschenkt haben: James Simon in Berlin, Frieder Burda in Baden-Baden und Peter Ludwig in Aachen.

Abb. Afrika-Museum Tervuren, Belgien

 

 

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