Beckeraachen

Kunstwechsel

Wem gehört die Erde 9

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Wem gehört die Erde 9. Tag

Gärten

Die Paradigmenwechsel, die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Welt in das industrielle Zeitalter geleitet haben, relativierten nicht nur die Orthodoxien der herrschenden Kirchen, sondern förderten Schöpfungsmythen, die die Naturwissenschaften seit Charles Darwins „Ursprung der Arten“ begründeten. Im Londoner Kew Garden wächst noch heute die „Insel Eden“, ein sich erhaltendes und reproduzierendes Ökosystem, das der Biologe Joseph Dalton Hooker 1854 kultiviert hat, ein „Green Mountain“ aus Eukalyptus, Pinien, Bambus und Bananenstauden. Aber erst die Angst vor einer atomaren Katastrophe, die mich und dich vernichten würde, löste seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine schöpferische Panik aus, die alle Wissenschaften und Medien beflügelte. Die Science Fiction Autoren entwickelten Modelle martianischer Biologie, in technischen Instituten entstanden Entwürfe des Terraforming, und Newton und Helen Mayer Harrison nannten sich als erste ökologische Künstler, erklärten Feuer, Wasser, Luft und Erde zu Elementen der Kunst und bepflanzten Erdflächen und Museumsdächer wie das der Bonner Kunsthalle mit Gräsern ihrer Wahl (Future Gardens: The Garden of Hot Winds and Warm Rain, 1997). Sie leiteten Wanderseminare mit Gruppen der Future Farmers jm Campus der Universitäten, visualisierten und versinnlichten NEBEL in „Fog Weddings“ und suchten nach Programmen des „Re-eroticism of the Universe“. „Eco-Sexual“, Alan Sonfist erregte Aufsehen mit Fotos, in denen er Baumstämme umarmte, und mit einem publizierten Testament, in dem er seinen Leichnam dem Museum of Modern Art überschrieb.

Dass der Staat New York einem seiner Künstler erlaubte, ein großes Brachland in Greenwich Village zu besetzen und in eine präkoloniale Landschaft zurück zu verwandeln, zeigt, wie sehr die Panik alle ergriffen hatte, die die missbräuchliche Herrschaft des Menschen über die Natur bereuten. Zwischen 1965 und 1978 säte Sonfist Gräser und pflanzte Haselnusssträucher, Birken und Rotbuchen. Als ich ihn 1972 besuchte, arbeitete er, umgeben vom Straßenverkehr der Houston Street, an einem Waldstück mit weißen Eschen, Ulmen, Sassafras- und Tulpenbäumen.

1982 konnte Agnes Denes ein ungenutztes Bauland neben dem World Trade Center im Battery Park nutzen, um ein weithin leuchtendes Weizenfeld an die Seite des gewaltigen Denkmals der Handelsgesellschaft zu setzen. Im gleichen Jahr pflanzte Joseph Beuys in Kassel die ersten der 7.000 Eichen, die die Straßen der Stadt begleiten sollten.

GREENPEACE hat seit 1971 unzählige Sympathisanten rekrutiert, und „zivilisatorische Akte“, die natürliches Wachstum behindern, sind überall heftigen Kritiken ausgesetzt. Der Maler Helge Hommes hat jahrelang große Bilder von Baumstämmen gemalt, bis ich ihn und seine Partnerin Saxana 2017 einlud, sich im Hambacher Forst bei Aachen an Demonstrationen zu beteiligen. Der kleine Wald sollte nicht dem Kohlebergbau geopfert werden. Die beiden begannen, inmitten von Demonstrationen zwischen den Bäumen große Bilder von beschädigten Wäldern zu malen. Jrtzt waren sie nicht mehr ästhetische Objekte, die einen Platz in Kunstorten suchten, sondern kommunikative Waffen, die den Existenzkampf der Bäume ergänzten.

Nicht der Erde und den Wäldern, sondern den Ozeanen, ihren Pflanzen und Tieren widmet sich die Thyssen Bornemiza Stiftung in Madrid – mit einem OCEAN SPACE in Venedig – , „Prospecting the Oceans“ – und einem Laboratorium in Costa Rica. Zu den Organisatoren gehört der Fotograf und FilmemacherArmin Linke, der sich der Aufgabe stellt, „die Erscheinung dessen, was nicht gesehen werden kann, sichtbar zu machen“. Er hat an der Arbeitsgemeinschaft „Critical Zones“ mitgearbeitet und die Fotos für das Buch von Bruno Latour und Peter Weibel „Critical Zones – The Science and Principles of Landing on Earth“  2020 geschaffen.

Viele künstlerische Werke in dieser Arbeit widerspiegeln eine Haltung, die es schwer erscheinen lässt, den Zustand der Welt im Zusammenspiel von Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Kultur zu verändern. Sie selbst verändert sich dort, wo schrumpfende Eisberge fruchtbare Landschaften freigeben, Siedlungen sich ausbreiten, wo der Permafrost weicht, Methangas sich an den Rändern der Meere freisetzt, und die Fluoreszenz von Meeresschildkröten veränderte Strömungen im Ozean ankündigt. Es ist nicht EINE fassbare Bedrohung wie die Kernspaltung, die vor einem halben Jahrhundert ALLE Gefährdungen des Planeten zu bündeln schien, sondern die Menschen begegnen allen Bedrohungen täglich so heftig, dass sie sich panisch vor ihnen verschließen. So entstehen Tumulte und Demonstrationen nicht gegen Kriege und Atombomben. nicht gegen Seuchen, sondern gegen staatliche Maßnahmen, die ihnen entgegenwirken. Science Fiction ist einer biedermeierlichen Heimatliteratur gewichen, und die Bildkunst erreicht den Höhepunkt ihrer Sublimation in den non fungiblen token.

Abb.

Alan Sonfist Park in Greenwich Village Manhattan

Joan Jonas besetzte die Räume des amerikanischen Pavillons der Biennale 2015 mit der Video-Installation „They come to us without word“ und kommentierte stundenweise die Bilder aus ihrer Kindheit und Naturerlebnissen als Performances.

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