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Kunstwechsel

Der Afrikaner 2

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  1. Kalndergeschichte

Der Afrikaner 2

 

Auch die junge Elfenbeinküste hatte nach der Befreiung von der französischen Herrschaft einen philosophisch gebildeten Staatspräsidenten, Felix Houphouet-Boigny, der zu den Bewunderern von Frédéric Bruly-Bouabré gehörte – einem der wenigen Künstler Afrikas, die so bekannt wurden, dass sogar eine Swatch-Uhr nach seinem Design auf dem Markt ist. Er lebte bescheiden als Kontorist in Abidjan und führte seine immense enzyklopädische Arbeit auf eine Erleuchtung zurück, in der ihm sieben Sonnen um eine Muttersonne erschienen sind. Er war 25 Jahre alt und nannte sich nun Cheik Nadro „Der nicht vergißt“. Sein Vater war Priester einer Naturreligion, und der Sohn wählte für seine spirituellen Botschaften das moderne Medium des Büros: Karteien: er zeichnete mit Kugelschreibern und Farbstiften auf Blättern 9,5 x 15 cm  – unermüdlich und stellte sie in großen Zyklen zusammen: „Kenntnis der Welt“, „Museum afrikanischer Gesichter“, „Kosmogonie antiker afrikanischer Kunst“. Alle Blätter zeigen Piktogramme, die in ihren Rahmen französisch kommentiert sind.   Er setzte Porträts von Belmondo, Michelangelo und Hannibal, Dante und Stalin in eine Reihe von Berühmtheiten, illustrierte die Vielfalt von geschnittenen Narben in afrikanischen Gesichtern, schaffte Bildkürzel ebenso für die „Vision eines pharaonischen Schlafs aus dem antiken Ägypten“ wie für „die hohe Diplomatie der Republik Südafrika“ oder „Une curieuse bille figurant l´esprit de la terre suspendue dans l´espace!“

Er sah sich berufen, zu einem Zeitpunkt, in dem das Medium TV und seine Bildsprache in Europa – so meinte er – zum Verlust seiner Schriftsprache führte, dem afrikanischen Kontinent eine erste Schriftsprache zu schenken, und entwickelte ein Alphabet von 448 Kürzeln, die Silben seiner Muttersprache BETE entsprechen.

Die europäische Kunstwelt liebte den Außenseiter, Exzentriker, der in seiner Klause in Abidjan die Welt in Zeit und Raum mit Menschen, Göttern und Tieren aus Afrika neu bevölkerte und dessen kleine, konzeptuelle Entwürfe sich in großen Tableaux präsentieren ließen wie die Sammlungen von Aby Warburg. Seit seiner Entdeckung sind Hunderte seiner Blätter durch alle großen Ausstellungen der westlichen Welt gewandert, und afrikanische Kuratoren, die in Europa arbeiteten wie Okwui Enwezor haben zu ihrem Ruhm beigetragen.

2014 ist er hoch geehrt gestorben – ein widersprüchliches Te3mperanent: barock in seinen weltumspannenden Fantasien, kindlich karg und mönchisch bescheiden in den Ansprüchen  an die Darstellung seiner Visionen, besessen fleißig und missionarisch eitel. Sein Publikum war frankophon und applaudierte aus der ganzen Welt. Ob sein Alphabet in den Schulen der BETE gelehrt wird?

Abb. “Mon esprit de penseur et de chercheur arrive ici à sa perfection: découvre les “!végétaux” en multi-sexuel”(Mein Geist als Denker und Forscher kommt hier zu seiner Vollendung: er entdeckt die Pflanzen als vielgeschlechtlich) – “Un personnage géant concu en „cités“ peuplées touche le „ciel“ de sa tête“ (Eine riesige Person entworfen als bewohnte Stadt berührt den Himmel seines Kopfes)

 

 

 

 

 

 

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