- Kalendergeschichte D I E P E S T
Für 99 Cent kaufe ich die E-Book-Beschreibung einer Pest in Florenz, die 1346-51 von Asien her durch Europa zog und 25 bis 50 Millionen Menschen tötete. Boccaccio beschreibt in seiner Einleitung zum DECAMERONE den Zustand von Florenz 1348 so nüchtern, als schriebe er heute. Damals nützte keine Quarantäne, die Pest stank überall, die Wohnungen füllten sich mit Leichen, „Pestknechte“ trieben sich umher und boten ihre Dienste an, falsche Ärzte und Beerdigungsunternehmer organisierten Grablegungen in Massengräbern (Verbrennungen gab es nicht); den vorsichtigen, behutsamen Bürgern, die sich zu schützen versuchten, standen immer mehr gegenüber, die sich in Exzessen auszuleben versuchten. 7 Freundinnen, die Boccaccio in S. Maria Novella trifft, und 3 Freunde fliehen in ein Landhaus bei Fiesole (das heute zu besichtigen ist) und beschließen, in 10 Tagen je 10 Geschichten zu erzählen: den DECAMERONE, eine heitere, freizügige Sammlung von 100 Novellen, die schon 1476 in Deutsch erschien und weltberühmt wurde. Die Kirche, ihre Priester, Mönche und Nonnen erzeugen Gelächter: der genusssüchtige Papst Clemens VI. im Exil habe seine Feste im Palast von Avignon zwischen zwei Feuern gefeiert, um den die Pest verbreitenden Flöhen zu entgehen.
Während Boccaccio vor der Pest flieht, ist sie dem französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus eine Allegorie des Krieges – ein Ereignis, das 1940 die Stadt Oran in Algerien in einen Belagerungszustand versetzt, seine Absurdität vorführt und von den Menschen die Revolte, den Widerstand, die Solidarität und Liebe fordert. Auch dieses Buch wurde weltberühmt und gehört zur Schullektüre in Frankreich.
Anders als Boccaccio und Camus hatte Arnold Böcklin 1898 keinen äußeren Anlass, das große Bild „Die Pest“ zu malen. Es hängt heute im Kunstmuseum Basel und ist tausendfach in Postkarten, Kunstdrucken und Plakaten verbreitet. Sein Leben lang verfolgten ihn und seine Familie Cholera und Typhus. Schon1876 hatte er die Cholera gemalt Seine Allegorie der Pest ist das mittelalterliche Bild des Skeletts, das sensenschwingend auf einem Drachen durch eine Straßenschlucht reitet. Die Angst, die es heute erregt, ist jenes wohltuende Gefühl, das Gänsehaut verursacht und die Haare zu Berge stehen lässt. Die Seuchen, die die Menschen weithin bedrohen, sind erschreckend unsichtbar. Das CORONA-Virus hat noch kein gültiges Bild gefunden.