Zum Tag der Frauen –
Künstlerinnen in der Neuen Galerie – Sammlung Ludwig
Als ich Nancy Graves in New York überredete, in der Neuen Galerie ihre erste Einzelausstellung aufzubauen (sie arbeitete 6 Wochen in Aachen, und ihre lokalen Helfer sprechen noch heute davon), hatte sie sich von Richard Serra getrennt und in Marokko arabische Farben, Räucherwaren und Kamele studiert und brachte viele Zeichnungen mit. Die ersten lebensgroßen Kamelskulpturen (die nur so aussahen wie Tierpräparate) hatte Ludwig im Whitney Biennial erworben. Sie wusste, dass sie mit ihnen auffallen würde. Gut so. Die Kunstgeschichte der Männer kennte eben nur Pferde. Sie zeigte mir Bücher über die Hopi-Indianer und arbeitete an einer prähistorischen Höhle mit „Altamira“-Zeichnungen von Kamelen, die sie sich in Amerika vergraben und eines Tages entdeckt wünschte.
Ursula (Schulze-Blum) nutzte dem Prunk des Ballsaales für die Traumlandschaft einer bösen Circe, die Jeden, der ihre Wohnung, einen pelzbesetzten Pavillon betreten, berühren würde, blutend zuückschrecken ließe. Rasierklingen waren in den Pelzblumen verborgen.
Ulrike Rosenbach lag im schwarz-weißen „Erd“-kreis unter den Kronleuchtern des Ballsaales als Amazone, eingespannt in ihren großen Bogen – und stand nach 3 Stunden auf: 10.000 Jahre habe ich geschlafen, nun bin ich erwacht…. In der Pariser Biennale schoss die Amazone auf die Fototafel der Madonna im Rosenhag des Stefan Lochner, in folgenden Ausstellungen nutzte sie das Bild der Vestalinnen in Wandbildern Pompejis.
Am Performance-Festival 1978 nahm die Französin Orlan auf. Sie suchte Bezüge zu Venus, Diana und Psyche und scheute nicht davor zurück, ihre Erscheinung von Schönheitschirurgen verändern zu lassen. Dem Publikum erschien sie hier in einer barocken Wolke aus weißen Papierbahnen, die den Zuschauern für kurze Zeit ihr Geschlecht freigaben.
Im MOMA NY nahm ich an einer Diskussion über den Wert von Video-Dokumenten von Performances teil. Ein Kritiker fragte scheinheilig Joan Jonas nach ihrem Verhältnis zu Richard Serra. Sie antwortete kurz: „I fuck him“.
In dieser ersten Phase feministischer Selbstbehauptungen traten viele Künstlerinnen hervor, deren Werk die Kuratoren suchten. Dolores Pacileo konnte ich gewinnen, mit einer großen Gruppe von freiwilligen Helferinnen und dem Vinzenz-Heim den Ballsaal mit etwa 200 weichen vielfarbigen Bällen nahtlos zu füllen und in einem therapeutischen Programm behinderten Kindern und ihren Betreuern zur Verfügung zu stellen.
Einen Gegenentwurf erarbeitete Anna Oppermann: den Blick der vereinsamten Frau aus dem Küchenfenster, hinweg über ein Fleißiges Lieschen, kritzelnd und zeichnend, so dass das Fenster ein Altar wurde, angefüllt mit kleinen exvotos, die ihn zu einem schier undurchdringlichen Nest machten. Mehrere dieser „Nester“, „Altäre“ einer großen Glücklosigkeit füllten die Ausstellung.
Es gab andere Niederlagen: Christiane Möbus scheiterte mit uns, im Ballsaal mit einer großen elektrischen Luftpumpe auf einer schweren Stafette einen Fallschirm aus zarter Seide so aufzublasen, dass er zwischen den Kronleuchtern schweben würde. Mit ihr konnte ich dafür 2001 die Arche des Noah „Auf dem Rücken der Tiere“ realisieren, zu der wir ein großes altes Boot und ausgestopfte Hirsche, Nilpferde, Zebras, Bären und Schweine brauchten.
Die Neue Galerie hat 1970-1989 27 Künstlerinnen in Einzelausstellungen gezeigt.
Abb. „The Santa Monica Ride” Postkarte von Ulrike Rosenbach aus Santa Monica, Kalifornien
25. März 2020 um 8:35
Zum Thema ‚Künstlerinnen‘ habe ich gerade eine tolles Buch vorgestellt: https://meinkunstbuch.wordpress.com/2020/03/25/great-women-artists/
LikeGefällt 1 Person