Zu der Meldung, dass die Stadt Aachen sich aus der Vergabe des Aachener Kunstpreises an Walid Raad zurückzieht:
Heute, am 1. Oktober, heißt der Leitartikel der israelischen Zeitung Haaretz
GERMANY SHAME ON YOU AND YOUE ANTI-BDS RESOLUTION
Germany has just criminalized justice. A blend of warranted guilt feelings, orchestrated and taken to sickening extremes by cynical and manipulative Israeli extortion, caused the federal parliament on Friday to pass one of the most outrageous and bizarre resolutions since the end of World War II. The Bundestag has defined the boycott, divestment and sanctions movement against Israel as anti-Semitic. Benjamin Netanyahu and Gilad Erdan rejoiced. Germany ought to be ashamed.
DIE FREIHEUT DER KUNST – DER KUNSTPREIS – WALID RAAD
Ein Kunstpreis kann sich mit Fug und Recht auf die Freiheit der Kunst berufen. Der Oberbürgermeister der Stadt Aachen hat 1970 den Künstler Wolf Vostell nicht aufgefordert, seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei zu bekennen, da doch sein großes Bild in der Neuen Galerie den Einzug der russischen Panzer in Prag 1968 zeigte. Der Oberbürgermeister der Stadt Aachen bringt es fertig, den libanesischen Künstler Walid Raad zu fragen, ob er Mitglied im BDS ist – genau vor dem Tag, an dem der Bundestag eine Resolution gegen den BDS beschließt. Bravo! Er wundert sich, eine Antwort zu erhalten, die er „mokant und süffisant“ nennt. Wie anders kann sich ein Künstler, der als Künstler und nicht als Politiker geehrt werden soll, antworten? Ein Künstler, der zuvor von der Gemeinde Stommeln eingeladen worden ist, eine allseits beachtete Installation in der dortigen Synagoge zu schaffen und der jenseits der kleinmütigen politischen Spekulationen arbeitet, die das große Publikum der aufgeklärten Welt mit einer zunehmenden Zahl von Demonstrationen bekämpft.
Walid Raad folgt als Kunstpreisträger einer Reihe namhafter Künstler. Er lebt in New York und Beirut und arbeitet unter dem Namen der mittlerweile weltbekannten „Atlas Group“, deren Online-Archiv eine Fülle von Foto- und Textmaterialien zu kriegerischen Auseinandersetzungen und Vernichtungen von Menschen im libanesischen Bürgerkrieg der 80er Jahre enthält. 2016 hat Walid Raad die Fenster und Türen der Synagoge von Stommeln verbarrikadieren lassen (Zugang über die Empore) und innen einen Tunnel, einen Fluchtweg gegraben, wie sie in Libanon ebenso bekannt waren wie an der Berliner Mauer oder im Warschauer Ghetto – “Those that are near. Those that are far“.
2019 sind Gespräche mit Künstlern, die sich um den Zustand der Welt sorgen, bitter notwendig. So haben bedeutende Museen der Welt Walid Raads Arbeiten ausgestellt. Der Kunstpreis der Stadt Aachen ehrt ihn weit weniger als die Kulturstadt Aachen selbst, die ihn vergibt. Ich habe an der Gründung und Folge des Kunstpreises teilgenommen und erfreute mich in der Neuen Galerie und im Ludwig Forum der Unterstützung durch Oberbürgermeister, Kulturdezernenten, Ratspolitiker und der Presse. Jetzt, da das Ludwig Forum in einer Übergangsphase arbeitet und der Vorsitzende des Freundeskreises gestorben ist, ist es nicht leicht sich vorzustellen, dass genügend Kräfte entstehen, um die Institution Kunstpreis zu erhalten. Die „Kulturstadt“ Aachen verdient die Gänsefüßchen immer mehr.