G E S C H E N K T G E S A M M E L T
ist der Titel einer Ausstellung von 80 Fotos Aachener Künstler, die ich seit 1976 begleitet und ausgestellt habe – im STADTBAD AACHEN am Blücherplatz vom 12.9. bis zum 13. 10. 2019. Bernd Radtke (59) ist der Jüngste, ausgebildeter Meister der Berufsfotografie , mit allen Erfindungen der digitalen Fotografie und ihrer Vervielfältigung als Digigraph vertraut; zugleich der Geschichte nostalgisch verbunden: mit einer Großbildkamera des 19. Jahrhunderts belichtet er Kollodium Nassplatten, um eine Serie von historisierenden Porträts herzustellen. Mit seiner HD-Kamera faszinieren ihn verlassene, entleerte, verfallende Räume und die Schauspiele, die zurückgelassene Gegenstände dort vorführen – ihre „Metaphysik“. Es passt, dass sein größtes Bilderbuch den Mainzer Dom beschreibt – die Lichtspiele, die Epiphanien. In einem seiner Fotos füllt ein Lichtschein eine leere Nische in einer Kapelle, als näherte sich der Heilige Geist. Ich habe mich gern auf diese Künstlerfantasie eingelassen, dass Gegenstände in leeren Räumen unbeobachtet lebendig werden und dass sie die Kamera nicht als Beobachter erkennen. (Alptraum eines Museumsmenschen: dass die Skulpturen nachts tanzen). „Der Raum spielt für sich selbst Theater“ hat Radtke seine umfangreiche Einzelausstellung in Schwerin genannt, und die erstaunliche Größe der Drucke – auf Leinwänden, die wie Gemälde über Keilrahmen gespannt sind -, die Schärfen und Unschärfen, die dem Betrachter so nahetreten, dass er Teil des Theaters wird, haben mich nicht mehr losgelassen. Raum ist dreidimensional, Bilder in Europa geben ihn zentralperspektivisch wieder. Es macht Spaß, Räume in Räumen, Räume mit Öffnungen zu weiteren Räumen, Korridore, Gänge, Galerien zu zeichnen, malen oder fotografieren. Samuel van Hoogstraaten schaffte es, in seinem Guckkasten mindestens sechs Räume eines holländischen Wohnhauses vorzuführen.
Bernd Radtke ist ein Reisender, der mit und von seiner Fotografie lebt. Es versteht sich, dass er viele verlassene Orte im Osten Deutschlands gefunden hat – so den Stuhl im Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee.