Beckeraachen

Kunstwechsel

Zum Tod von Inge Baecker

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ZUM TOD VON INGE BAECKER

Die Epoche „FLUXUS RUHRGEBIET“ ist in diesen Tagen schrecklich zu Ende fegangen – in einem alten Haus in Münstereifel, über das eine Wasserkatastrophe hereinbrach, in dem Notrufe einer Einsamen verhallten und ihr Atem versagte. Die Galeristin Inge Baecker starb 77-jährig unter einem Baldachin von Erinnerungen, die die dynamischste, schöpferischste Epoche des Rheinlandes tragen, als Bonn die Hauptstadt der BRD war.

Sie schien immer allein gewesen zu sein und schützende Orte als Arbeitsplätze zu lieben, eine Tiefgarage in Bochum, einen römischen Wachturm in Köln, eine Burg in der Eifel. Ich erinnere mich an ein blasses Gesicht und eine leise, feste Stimme, an ihre Verlässlichkeit und  ihr  geringes Interesse an Kunstwerken als Handelswaren. Die umfangreiche Liste der Künstler, die sie betreute, beginnt mit dem umtriebigen Wolf Vostell, der sie aus der Sphäre der Grafik und Auflagenkunst hinausführte in das freie Feld der Installationen und happenings, und öffnet sich weit in die Musik, Literatur, Performance-, Film- und Videokunst, in dem eine Schellackplatte den kulturellen Wert eines Gemäldes aufhob. Und die Welt schien ihr grenzenlos. Bei ihr traf ich den Russen Tschuikow ebenso wie den Amerikaner Kanovitz, und als ich mit dem Aachener Sammler Klaus Pavel eine Ausstellung brasilianischer Kunst vorbereitete, half sie mit großem Engagement. Sie förderte Dialoge zwischen Künstlern und Institutionen in Istanbul und Thessaloniki, und zuweilen nahm der Kölner Römerturm den Ausdruck einer europäischen Kommandozentrale an. Und da war sie, unauffällig in ihren Kleidern und Geltungswünschen, frei von Instagram-Botschaften. Ihr Facebook-Eintrag zeigt ihr mangelndes Interesse, vor den Künstlern zu erscheinen, deren Interessen sie vertritt. Sie steht hinter ihnen, in ihren Schatten. Dort hätte die Schülerin von Max Imdahl an der 1965 gegründeten Ruhr-Universität Bochum seine Philosophie vom „Sehenden Sehen“ weiterführen können. (Aber schon 1975 beteiligte sie sich an der Düsseldorfer Ausstellung „Sehen, um zu hören“) Der Rückzug in die Eifel ließ vermuten, dass sie über eine Summe ihrer Lebensarbeit nachdachte.

Der Tod wischt gemächlich viele Namen von der großen Tafel, die die Epoche des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts vorstellt. Wir begegnen ihnen in den Museen wieder, den Künstlern, ihren Sammlern, Kritikern, Liebhabern und Galeristen. Dort werden wir Inge Baecker begrüßen.

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