Beckeraachen

Kunstwechsel

Ludwig Van 3

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R O LL   O V E R   B E E T H O V E N   drittens

Die Requisiten des Films „LUDWIG VAN“ von Mauricio Kagel, die Beethovens Besichtigung seines Bonner Geburtshauses dienten, sind nicht alle dort aufgenommen worden (die Aufnahmen der Küche von Josef Beuys entstanden in seinem Düsseldorfer Atelier, hinter dem Fenster läuft er mit einer Totenmaske Napoleons vorbei; Dieter Roths Badewanne wurde im Kölner Hotel Excelsior mit Wasser gefüllt) oder waren so sehr auf den Film bezogen ( die Stapel verstaubter Partituren in der Rumpelkammer Robert Fillious, die, wenn der Führer die Tür öffne, herauspolterten), dass sie nicht erhalten werden konnten. Die Neue Galerie in Aachen krönte im festlichen Ballsaal ihre Ausstellung BEEETHOOVEN 1770-1970 mit dem Musikzimmer Kagels, das Wohnzimmer Ursula Burckhardts, dem Kinderzimmer Wewerkas und der Zinkwanne aus dem Badezimmer Dieter Roths, Filliou bot einen Text, in dem er forderte, dass wenigstens eine Musikalienhandlung, eine Pop-Gruppe, ein Künstleratelier in diesem Jubiläumsjahr LUDWIG VAN BEETHOVENS SPEICHER genannt würde. Sein amerikanischer Kollege Robert Watts trug eine authentische Signatur Beethovens in spröden, krakeligen Buchstaben aus fluoreszierendem Neon bei.

 

Dieter Roth hat Rudolf Rieser in Köln die Herstellung der Requisiten des Badezimmers überlassen: „100 Beethovenbüsten, möglichst in Originalgröße. Material Schokoladen, weiße Fettglasur und Hartfett.“ Sie würden im Wasser zerfallen. Im Film hebt der Führer langsam viele von ihnen aus der Wanne und vor die Kamera, unkenntliche Brocken, deutliche Gesichter, ruinierte Büsten, ein Arsenal von Trümmern in Weiß, Grau und Braun, das nach einigen Wochen zu stinken begann und nun (im Kölner Museum Ludwig) mit einer Glashaube isoliert ist. Warum Schokolade? Kagel hatte sich „Schmalz bzw. Marzipan mit Schokoladenüberguss“ gewünscht. Hat Roth an den Schokoladenfabrikanten Peter Ludwig in Aachen gedacht, den Kunstsammler, der schließlich die „Badewanne“ erworben hat? Oder an Pizarro, einen der spanischen Usurpatoren Amerikas, denen Europa die Schokolade verdankt – und der, oder ein anderer mit seinem Namen, Florestan, in der Oper „Fidelio“ in den Kerker wirft?

 

Das Kinderzimmer in dunklem Grün ist eine umfangreiche Tischler- und Drechslerarbeit. Kein rechter Winkel war erlaubt. „Die Knicke der Formen akzentuieren die Kleinlichkeit des frühen Biedermeiers und zugleich seine puppenhafte Enge. Im Kinderzimmer soll seine (Beethovens) lädierte Umgebung reflektiert werden: der moralische Firnis der Provinz im späten 18. Jahrhundert.“(Kagel) Die Wasserkanne war abhandengekommen, und im nahen Belgien wurde noch ein Handwerker gefunden, der eine schräge runde Form drechseln konnte.

Im reich ausgestatteten Wohnzimmer Ursula Burckhardts waren alle Gegenstände in kalt silbern glänzendes Aluminiumblech gehüllt, „edel zerknautscht“. „Das Ensemble soll wie schlechtes Blendwerk für Besucher wirken; die Metallverkleidung ist ein Akt vielfacher Musealisierung.“ (Kagel)

Das Musikzimmer Kagels ist vom Fußboden über die Möbel bis zur Decke mit Notenblättern so tapeziert, dass ein kleines Orchester sie spielen könnte. „Die Notenköpfe bilden ein fast regelmäßiges Tapetenmuster mit nicht erklärbaren Akkumulationen.“ (Kagel)

Der Saal bot so einen angemessenen Hintergrund für Auftritte, Reden, Diskussionen, eine Flugblatt-Publikumsbefragung und Konzerte.

(Kagel bedankte sich für die Erwerbungen der „Badewanne“ und des „Kinderzimmers“ 1995. Zum 70. Geburtstag  Ludwigs leitete er im Kölner Museum die Uraufführung von „L’art brut“, einem  Stück für einen stummen und dennoch beredten Schlagzeuger, eine Inszenierung von Rhythmen und farbigen Geräuschen, und schenkte dem Sammler die Partitur.)

(Fortsetzung folgt)

 

 

 

 

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