ZUR AUSSTELLUNG ALBRECHT DÜRERS
IM AACHENER SUERMONDT-LUDWIG-MUSEUM
Dürers Hase – und Beuys und Staeck
Am 24. November 1965 erklärte Joseph Beuys einem toten Hasen Bilder in der Düsseldorfer Galerie Schmela, und das Publikum sah ihm durch die geschlossene Glastür drei Stunden lang von draußen zu. Auf youtube können wir heute verfolgen, wie er das Tier vor sich hielt, die Vorderpfoten bewegte, als wäre es eine Marionette, seinen eigenen goldglänzenden und mit Honig bestrichenen Kopf hier und dorthin wendete, einem exotischen Priester/Lehrer/ Schamanen nahe. Beuys erklärte später, er habe den Hasen gewählt, weil er sich – anders als der Mensch – mit der Erde vereinen kann, „sich inkarniert“. (Der Biologe findet in diesem schönen Bild nur das europäische Wildkaninchen, die Sasse des Hasen ist eine offene Grube). Er hat die Reste dieser Performance in einem Plexiglaskasten gesammelt und in der Folgezeit sieben „Hasengräber“ hergestellt (vier davon stellt das Museum Schloss Moyland z. Z. aus) Scherzhaft hat er sich selbst als Hasen bezeichnet „Beuys is a hare“. Der Hase war ihm ein Symbol der Lebenskraft und der Auferstehung.
Ich springe von Beuys zu Albrecht Dürers Hasen, weil kein anderer in der Kunstwelt so bekannt ist wie dieses 25 x 23 cm große Blatt eines kauernden Feldhasen. Die feine Unterwolle seines Fells als Grundierung und darüber die braungelben und rostroten Grannen mit schwarzen Spitzen, der weiße Bart mit den dicken Tasthaaren. Monogramm und Jahreszahl zeigen ebenso wie die präzise Vollendung und die repräsentative Haltung des Tieres in der Dreiviertelansicht: dies ist keine Studie, Skizze, Vorzeichnung, sondern sozusagen ein Meisterstück, das sich von konkurrierenden Darstellungen abhebt – noch heute ein Vorbild aller Hyperrealisten. Schon Zeitgenossen haben es bewundert und kopiert, aber wie konnte ein Zeichner, der nicht eine Fotografie, sondern ein lebendes Tier vor sich hatte, es daran hindern, sich zu bewegen? Hat er den Hasen betäubt? Ist er die Arbeit eines Taxidermisten? Bis heute wird das Original sorgsam gehütet. Die Albertina in Wien stellt eine von vielen Kopien aus, die seit dem 16. Jahrhundert angefertigt wurden. Und viele Künstler hoffen, dass eines ihrer Bilder so volkstümlich wird wie Dürers Hase und gestalten – Hasen.
Damit Dürers Hase als eine Art von Handtasche getragen werden kann, hat Klaus Staeck ihn in einen fein gemaserten Holzblock mit aufgeschraubtem Griff gesperrt, aus dem nur Kopf und Vorderpfoten herausragen. „Zum Welttierschutztag“ heißt die Postkarte der Abbildung, die man für 0,80 € bei ihm bestellen kann. Und Beuys hat ihm und seinem Verleger Steidl freundschaftlich weitere „Hasen“ für Postkarten geliefert: „Amerikanischer Hasenzucker“, „Das Hasengrab I und II“.
Beuys teilt mit Dürer eine Lust an der Selbstdarstellung, die dem Renaissance-Künstler noch nicht erlaubte, so viele Mittel einzusetzen wie seinem Nachfolger. „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ ist eine pädagogische Lehrstunde im Kabinett-Theater einer kleinen Galerie und in Kunstkreisen ebenso bekannt geworden wie Dürers Hase beim großen Publikum. Staeck interessierte diese Popularität und die Möglichkeit, sie über das heute veraltete Medium der Postkarte zu erreichen. So waren 50 Karten nur noch halb so teuer wie eine.
