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Kunstwechsel

Lachs in Chianti

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Lachs in Chianti – eine Kalendergeschichte

Alfredo ist Marie auf dem Flohmarkt an der Heinrichsallee begegnet, und sie hat ihn zu sich genommen. Er wohnt mit ihr in einem Bauernhaus aus Blaustein in Vennwegen und malt. Sie lädt Freunde ein, seine Bilder anzusehen. Einer ist vom Fach.  Er hat in Florenz zu tun. Alfredo hat ein Atelier in der Nähe. Er fährt ihn vom Flughafen Pisa so lange durch die Weinberge von Chianti, bis sie – die schwedische Ostküste erreichen. Sie liegt im Qualm eines Räucherofens, und der Duft von Lachs droht die beiden zu betäuben. Die großen Leinwände, die Alfredo aus seiner Hütte herausholt, zeigen Landschaften der Küste von Norrkoping, lebhaft summarisch gemalt. Sie essen Filets von Lachs, die auf dem Holz der Weinreben geräuchert sind und ein unwiderstehliches Aroma entwickeln. Italienische Feinschmecker kaufen diese Lachsschnitten in dekorierten Packungen.

Alfredo besucht seine schwedische Familie regelmäßig mit einem Kühlwagen, wenn viele Lachse auf dem Stockholmer Markt angeboten werden, wenn er reichlich Brennholz gesammelt hat und wenn Weihnachten bevorsteht: der Lachs gehört zum Festessen der Toskaner.

Ein Jahr später lädt Alfredo den Aachener Freund ein, Ostern in seinem Haus in Carrara zu feiern. Er legt den Schlüssel auf den Tisch und nimmt Abschied. Nur ein Arzt in Stockholm könne sein Leben retten. Bevor der Freund mit Frau und Kind die Koffer packt, um nach Carrara zu fahren, telegrafiert der schwedische Sohn, der Arzt habe es nicht geschafft. Alfredo ist tot.

Die Neugier, sein Haus und die Steinbrüche kennen zu lernen, siegt. Aber die Aachener trauen sich nicht, den Schlüssel zu nutzen. Sie haben Angst, Alfredo in seinem Haus zu begegnen, und finden ein Quartier in Forte dei Marmi.   

Nur wenige Stunden ihres Lebens haben sie ihn gekannt, aber so sichtbar sind wenige in ihrer Erinnerung. Er hinterließ ein Bild, auf dessen Rückseite er geschrieben hat: Studio Crocefissione Chiesa Passione di Fraiburg Marzo 1989 W A R U M ? Auf der Vorderseite drängelt sich unter einer dunklen Grimasse ein Leib (eine Wirbelsäule, ein Kiefer, Knochen) in einer engen Fülle von Gegenständen und Gespenstern. Alfredo hatte große Angst, als er auf dem Weg nach Stockholm in Freiburg Halt machte.

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