Seidenstraße CHAINA
Eine Kalendergeschichte
In Taipeh schenkte mir ein Künstler diese Teller. Sie sind aus niedrig gebranntem grauem Ton, und Trudel Klefisch, Asiatica-Händlerin in Köln. meinte geringschätzig, so etwas exportierten die Chinesen nicht; die Ware kam in kleinen Auflagen aus kleinen Öfen, ihr Dekor folgte bestimmten Vorlagen, und jeder Maler variierte es schnell nach Lust und Laune; ein Vergnügen, das, so meinte der Künstler, sie wertvoll machte. Wer Erden fand, die bei höheren Temperaturen nicht zerfielen, wer größere Öfen bauen konnte, stellte menschen- und pferdegroße Skulpturen her und entwickelte Farblasuren, die heute in großen Museen leuchten. Die höchste Temperatur – 1450 ° C – verträgt ein Gemisch aus Tonmineralien, Felsspat, frei von Eisen: Kaolin, das in großen Mengen seit dem 18. Jahrhundert im Nordwesten Chinas, in Gaoling abgebaut wird. Dorthin ist Edmund de Waal, Keramik-Künstler in London, gefahren und hat in „Die Weiße Reise“ eine aufregende Geschichte geschrieben. Seine schneeweißen Skulpturen habe ich in einer Ausstellung des Bonnefantenmuseums in Maastricht gesehen. Aber auch Gagosian in New York bietet sie an.
Niedlich, albern fand ich als Student 1961 die weiß0en Figürchen der Berliner Manufaktur, die mir der Direktor des Kölner Kunstgewerbemuseums bewundernd zeigte. Er schickte mich in das Märkische Museum in Berlin, um ihre fotografischen Vorlagen zu inventarisieren.
Das Kaiserreich China förderte von Gaoling aus zwei Produktlinien, die chinesische und die europäische (Porzellan = China). Diese Linie, die zahlreiche Schifffahrtslinien beschäftigte, schrumpfte, je mehr heimische Manufakturen den Markt übernahmen: Meissen, Wien, Sèvres, Chelsea. Berlin….. Die Sammelleidenschaft der Fürsten, Adligen, Großbürger und Bankiers wuchs so sehr, dass ihre Häuser sich von den Salons bis in die Küchen und Gärten mit Porzellanen füllten. Über der Regnitz in Bamberg zieren heute die Straßburger Fayencen und Meißener Porzellane der Sammlung Ludwig das prächtige Alte Rathaus. So hat erst wieder die amerikanische pop art eine Epochenkultur in Europa beeinflusst. Das Empire der Französischen Revolution hat die Chinoiserie abgehlöst.
Kaum eines dieser europäischen Werke befindet sich in einem chinesischen Museum, sie werden dort, so neinte der Direktor des Keramions in Taipeh, für minderwertig neben den chinesischen Meisterwerken gehalten, Tischdekorationen, Gebrauchsgüter, durchaus nicht vergleichbar mit den kostbar geformten, glasierten, kolorierten Figurinen, die er mir zeigte.
Es war den europäischen Mächten nicht möglich, das chinesische Kaiserreich so zu kolonisieren wie afrikanische Königreiche. Da ihre kostbaren Bildgegenstände komplexer Rituale als Raubkunst nach Europa importiert wurden, wird es lange dauern, bis sie zurückgeführt in neue Museen ihrer Heimatländer als Zeugnisse einer eigenen Kulturgeschichte verinnerlicht werden.
Der taiwanesische Künstler trennte sich nicht gern von dem Schälchen, dessen Außénwand der Töpfer unordentlich mit Kreisen überzogen hat. Er hätte, so meinte er, ohne Ruhmsucht und Geldgier der Kunst ihre Freiheit erhalten.

