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Kunstwechsel

Parlamentarische Rituale

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50. Kalendergeschichte – Parlamentarische Rituale

Dass der Senat eines Staates eine Gruppe seiner Mitglieder bestimmt, einen missliebigen Präsidenten so zu erstechen, dass kein Einzelner als Mörder bezeichnet werden kann, ist seit dem Tod Cäsars selten geschehen. Dass ein Präsident sich so an seinen Palast klammert, dass er a Ende seiner Amtszeit hinausgetragen werden muss, ist ebenso außergewöhnlich. Aber im Ritual der Wahl ist er so lange machtlos, als er Fälschungen und Manipulationen nicht nachweisen kann.

Der sonderbare Fall eines Wahlrituals ist eingetreten, als in ihrer Vorbereitung eine der Parteien, gewiss, eine Mehrheit zu erringen, sich entschloss, eine Frau als Kandidatin der Präsidentschaft zu nominieren, die ihr nicht angehörte. Diese Frau gewann schon viele Stimmen, weil sie eine Frau war und die erste Präsidentin sein würde. Sie ließ sich auf den Stuhl des Präsidenten fotografieren, gab einige Interviews – und verschwand. Spätestens am 1. Januar des neuen Jahres erwarteten viele eine ermutigende Ansprache von ihr in schweren Zeiten. Sie schwieg.

Das Parlament und die Verwaltung hatten sich nach der Wahl neu geordnet und insbesondere dem Abriss eines Parkhauses und der Konsolidierung der Prostitution gewidmet. Bitten um Gespräche wurden vom Büro der Präsidentin abgewendet; man würde sich melden. Man stellte fest, dass die Büros der Präsidentin nicht besetzt waren, und erfuhr, dass sie, um dem Personal nahe zu sein, in weniger repräsentative Räume umgezogen wäre.

Wenige waren bereit, weiter nach ihr zu fragen. War sie der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen? Brauchte man eigentlich eine Präsidentin? War diese Stille an der Spitze des Parlaments und der Verwaltung nicht ein wünschenswerter Zustand für alle, die mit dem existierenden Verhältnissen zufrieden waren? War es nicht angenehmer, vorhandene Arbeitsverträge zu verlängern als neue Stellenbesetzungen ins Auge zu fassen?

Einige wenige meinten zu wissen, dass es zwischen der siegreichen Partei und der Präsidentschaftskandidatin eine Verabredung gegeben habe, in der sie nach der Wahl unsichtbar würde, wenn die Partei Abstimmungen auch ohne sie gewinnen könnte. In der Zwischenzeit wird der Präsidentenstuhl neu gepolstert.

2 Kommentare zu “Parlamentarische Rituale

  1. …und es gibt noch viele Fragen, die die Untertanen sich stellen: Warum wird dieses Parkhaus nicht geschleift in der Zeit des Lockdowns, in der es in Aachen sowieso unattraktiv ist? Warum im Mai, wenn hoffentlich das öffentliche Leben wieder erwacht und die Gäste durch die Stadt strömen? Warum soll das Reich der Liebesdienerinnen im Zentrum verbleiben, wodurch jede weitere Planung um ein Vielfaches erschwert wird? Wobei zudem jeder weiß, dass die Prostitution in solchen Sträßchen bald der Vergangenheit angehören wird…was wird aus dem ehemaligen Kaufhaus des Herrn H., das heute auch einem Herrn H. gehört…soll es weiter vor sich hindümpeln…Fragen über Fragen…gestern wie heute…
    Die Mauern stehn
    Sprachlos und kalt, im Winde
    Klirren die Fahnen. (Hölderlin)

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    • Je älter ich werde, umso mehr liebe ich Langsamkeit. Sie ist der Kern der Lebensqualität iin der Provinz. Irritierend ist in Aachen die nahe RWTH – eine Agentur metropolitaner Schnelligkeit,Wie besteht eine Frau neben dem Kanzler? WB

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