Beckeraachen

Kunstwechsel

Hinter Gittern

Ein Kommentar

Kunst hinter Gittern

Die 42. Kalendergeschichte

1977 sucht der New Yorker Künstler Alan Sonfist ein Gespräch mit dem Direktor des Aachener Zoos. Man spricht über ihn auch in Europa, seit es ihm gelungen ist, ein Brachland von 25 x 40 m am La Guardia Platz mitten in Manhattan mit solchen Gräsern, Sträuchern und Bäumen zu bepflanzen, die es bedeckten, bevor die Holländer die Insel 1629 von den Algonkin für 60 Gulden kauften. Jetzt stellt die Neue Galerie – Sammlung Ludwig ihn aus.

Der Zoodirektor willigt ein, ihm für eine Woche einen der Affenkäfige auszuräumen und ihn wie seine Tiere darin auszustellen. Die Schimpansen begrüßen ihn lebhaft im Nachbarkäfig, erwachsene Besucher, ihre Kinder und Hunde sehen ihm zu, wie er ihren Gewohnheiten folgt: sich morgens wäscht und rasiert, Hauskleider anzieht, frühstückt und die Tageszeitung liest, mit ihnen plaudert und den Gedanken vermittelt, mit dem Charles Darwin 1859 ihr christliches Weltbild erschüttert hat, dass sie nicht Gottesgeschöpfe aus Lehm sind, sondern mit Affen die Herkunft von einem gemeinsamen biologischen Prototyp teilen. Anders als die Affen ist der Land art Künstler Sonfist kein Gefangener hinter Gittern. Sein Auftritt ist eine Demonstration, in der er die Bewusstheit mitteilt, dass alle Lebewesen eins sind. So haben die meisten sie noch nie erfahren.

Literaturfreaks erinnern sich an den Hungerkünstler, dessen trauriges Schicksal Franz Kafka 1922 beschrieben hat, und Historikern fallen die Schaustellungen von afrikanischen „Wilden“ im Hagenbeckschen Zoo in Hamburg und im Afrika-Museum Leopolds II. inTervuren ein. Aber Sonfist folgt einer neuen Bewegung der ökologischen Kunst, die um 1970 mit GREEN PEACE, dem Earth DAY, dem WHOLE  EARTH  CATALOG  und zahlreichen „Hippie“-Bewegungen in Kalifornien angestoßen wurde. In den Zoos von San Francisco und Santa Fee hatte schon Bonnie Ona Sherk 1971 an den Fütterungen der Tiere in ihren Käfigen. mit einem Lunch teilgenommen (sogar, so hei8t es, bei den Löwen und Tigern).

Ich besuche Sonfist im Zoo an diesen Tagen und fotografiere ihn. Der Direktor der Aachener Forstverwaltung erlaubt uns danach, eine verlassene Höhle von Wühlmäusen mit flüssigem Gips zu füllen und trocknen zu lassen. Wir graben das komplexe Gerippe einer verzweigten Wohnung aus und stellen sie auf einer großen Tischplatte in der Neuen Galerie vor. Sonfist spricht vom Ende der Kunst und einer Renaissance der Natur.

Ich muss an ihn denken, als eine Nachbarin gestern anbot, zwei mongolische Wüstenrennmäuse zu verschenken. Mir fielen die Menagerien Ludwigs XIV., Montezumas und indischer Maharadschas ein. Sind mongolische Wüstenrennmäuse so aufregend, wie ihr Name klingt?

Ein Kommentar zu “Hinter Gittern

  1. Sie sind nicht aufregend, aber interessant und familientauglich, denn sie riechen nicht unangenehm und sind nicht nur nachtaktiv (im Gegensatz zu Hamstern). (Auf eine Frage gehört eine Antwort)

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