Schmieden bis in Afrika
Der Bildhauer Wolfgang Nestler lehrte mich, geschmiedete Nägel zu lieben, und ich begegnete Menschen, die sie sammeln. Eine Schmiede: die Hitze des Feuers, der Amboss, das glühende Eisen unter den musikalischen Schlägen der Hämmer, der Blasebalg; keine Werkstatt ist urtümlicher, und kein Gott ist schmutziger als Hephaistos.
In Aachen unterhielt der umtriebige Manfred Bredohl ein Netzwerk von Schmieden in Europa, Amerika und Afrika, das aussichtslos gegen die reformierte Berufsbezeichnung Metallgestalter kämpfte. Er organisierte Schmiedekongresse, Ausstellungen und provozierte gern die Unschärfe zwischen freier und angewandter Kunst, Kunsthandwerk und Design, die die Autoren sehr viel stärker belastet als die Nutzer ihrer Produkte.
Heute, in der digitalen Ära, sind alle Verfahren, Bilder herzustellen (das Malen mit Ölfarben auf Tüchern oder festen Gründen, das Zeichnen und Tuschen auf Papier, das Radieren auf Blechplatten, das Stechen in Kupfer, Lithografieren auf Stein, Schneiden in Holz) ebenso nostalgisch in die Vergangenheit gerutscht wie das Hauen aus Stein und Gießen in Bronze: und keine der Techniken erscheint so altertümlich wie das Schmieden, das die gestaltende Kraft des schöpferischen Menschen im Kampf mit den Elementen Erde, Luft, Wasser und Feuer zeigt – so alt, dass auch Bredohl auf dem alten afrikanischen Kontinent nach Schmieden suchte, die aus ferner Vergangenheit in die Gegenwart hinein arbeiten.
Bei einem Empfang in seiner „Vulkan“-Schmiede anlässlich des 3. Kongresses der Schmiede 1996 stellte er stolz nicht nur die „Artist Blacksmith Association of North America“ vor, sondern das Schmiede-Kreatop von Yohonou in Togo/Westafrika, Zentrum eines Dorfes, dessen Bewohner von der Arbeit an einer Eisenhütte gelebt und ihn eingeladen hatten, sie in sein Netzwerk aufzunehmen. Er besuchte sie und ließ sich auf ihre Pläne ein: eine Siedlung mit Pavillons für ein Museum, ein Gästehaus und Werkstätten – ein touristischer Hotspot in einem armen Land. Mittlerweile werben ein anderer Schmied, der Niedersachse Andreas Rimkus und seine „Kulturfeuerstiftung“ für Gäste und Sponsoren. Schrottverarbeitung, Eisenerzabbau und -verhüttung sind wichtige Faktoren in der wirtschaftlichen Entwicklungsarbeit der westafrikanischen Staaten. Rimkus ist es mit 19 einheimischen Schmieden in Yohonou gelungen, aus Buderus Edelstahl einen von sieben Stahlhämmern (für die Kontinente; der europäische steht im Park des Kröller-Müller-Museums in Otterloo), 19 t schwer, zu platzieren und einen Baum in das Loch seines Kopfes zu pflanzen, der als sein Stiel wachsen wird.
Dort, wo in afrikanischen Länder Dorfkulturen noch lebendig sind, werden Schmiede gebraucht. Rimkus hat einige von ihnen nach Deutschland geholt. In Montreuil vor Paris bietet ein Verband afrikanischer Edelschmiede seine Produkte an.
Am 3. Schmiedekongress nahm Wolfgang Nestler teil – in einer Ausstellung MASSIVFRAGIL über Eisen, die die Künstler einerseits und die „Metallgestalter“ andererseits unter den Titeln „Berührungen“ und „Aspekte eines Materials“ mühsam trennte: Nestler, Prager, Bandau, Serra hier, Bredohl, Hey, Suter, Paley dort. Wenige der ausgestellten Werke waren geschmiedet. So würden auch in einer Bilderausstellung heute mit Ölfarben bedeckte Leinwände rar sein. Solange keine neuen umfassenden Begriffe in den kulturellen Kodex einfließen, werden alle sich gern Künstler nennen und das, was sie machen, Kunst – auch die Schmiede.