YORUBA ENGLISCH – Zur Kolonialgeschichte Afrikas
Auf dem Marktplatz von Abeokuta verliebt sich die Tochter des Bürgermeisters in einen Unbekannten: “A beautiful „complete“ gentleman, dressed with the finest and most costly clothes, and the parts of his body were completed, if he had been an article or an animal for sale, he would be sold at least for 2.000 Pounds.” Sie folgt ihm in den Wald. “He began to return the hired parts of his body to the owners and he was paying them the rentage money.” Den linken Fuss, den rechten, den Bauch, die Rippen, Arme, den Nacken. Zuletzt hüpft er wie ein Laubfrosch. “When the lady saw every part of this complete gentleman in the market was spared or hired and he was returning them to the owners, then she began to try all her efforts to return to her father´s town.”
Dass sich ein Twen herausputzt und beduftet, um junge Frauen anzuziehen, die Zähne mit weißen Blenden bedeckt, die Fingernägel lackiert, mag angehen. Aber der afrikanische Autor treibt die Satire in die Groteske. Er nimmt den Playboy als Schaufensterpuppe auseinander. Wenn ich nicht wüsste, dass Amos Tutuola als Kupferchmied bei der Royal Air Force und Lagerarbeiter beim Staatlichen Rundfunk in Lagos arbeitete, als er sein Buch „The Palm Wine Drinkard“ nicht in seiner Muttersprache Yoruba, sondern in unbeholfenem Pidgin-Englisch schrieb, 1951 in London (von Dylan Thomas rezensiert) und 1953 in New York publizierte, 1955 in Französisch, Italienisch, Deutsch, Serbokroatisch herausgab, so würde ich annehmen, ein Sammler der oralen Erzählkunst aller Völker, die vom indischen Panchatantra bis zum Buch der Beispiele der Alten Weisen des Antonius von Pforr (um 1450) bewahrt ist, hätte die wunderreichen Fabeln benutzt, um die Alkoholfantasien eines Wanderers im afrikanischen Busch so zu komponieren, dass die ersten Leser den Text für ein surrealistisches Unsinnswerk des französischen Pataphysikers Raymond Queneau hielten („Zazie dans le métro!“). (Er hat es aber nur übersetzt.)
Tutuola kannte Daniel Orowole Olorunfẹmi Fagunwas „Ògbójú Ọdẹ nínú Igbó Irúnmọlẹ̀“ (Der Wald der 1.000 Dämonen), das 1938 in einem Wettbewerb des Erziehungsministeriums den 1. Preis erhalten hatte, das erste Buch in der Yorubasprache überhaupt, das Wole Soyinka 1968 ins Englische übersetzte und in London publizierte.
Die beiden nigerianischen Autoren stellen zwei Haltungen zur Kolonialmacht England dar: der Ältere den autonomen Stolz einer eigenen Kultur (1938 Unabhängigkeitsbewegungen!), der Jüngere das spöttelnde, satirische Amalgam des Schatzes einer alten reichen Erzählkunst in die uneigene Sprache der abdankenden Herrscher übertragen, das magische Panorama einer Weltbeschreibung in surrealistische Pointen zugespitzt.(1954 erste Selbstverwaltungen in Nigeria!)
Der Ich-Erzähler, ausgestattet mit „Joujous“, Zaubern, die in Notfällen Leben retten („Father of gods who could do everything in this world“ nennt er sich überheblich) wandert 10 Jahre durch das Land, um seinen „Palm Wine tapster“ aus der Stadt der Toten zurückzuholen. Er kann nicht sterben, denn er hat TOD verkauft, er kann ihn aber fürchten, denn er hat nicht ANGST verkauft. Sein „Winzer“ kann nicht mit ihm zurückkehren; wie alle Toten, denen er begegnet, muss er rückwärtsgehen (nur die vielen toten Kinder nicht), aber er schenkt ihm ein Ei, das die Menschen aus der nächsten Hungersnot retten wird. Seiner Frau wird ein Kind aus dem rechten Daumen geboren, ein ewig Hungriger verschlingt die beiden, sie erschießen ihn aus seinem Bauch und schneiden sich heraus….Flüsse, Wälder und Büsche sind so bezeichnet, als säße der Leser in einem Theater – atemlos.
Den Titel des 2. Buches von Tutuola „My Life in the Bush of Ghosts“ nutzten die TALKING HEADS Brian Eno und David Byrnes 1981 für ein Projektalbum, in dem sie Zitate afrikanischer und arabischer Musik als „Samples“ verarbeiteten – eine erste Form der „World Music“. Ihr Ruhm hat den Tutuolas erweitert.