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Kunstwechsel

Osterhasen

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Kunst-ABC   O S T E R H A S E N

Nennen wir den Osterhasen einen Pataphysiker (patte à physique), surreal zwischen den Feldhasen und dem Fest der Auferstehung. Immer, wenn ich einen Hasen sehe, selbst einen geschlachteten oder ein Fell, denke ich an ihn. In seiner lateinischen Doktorarbeit hielt Johannes Richier 1682 in Heidelberg die Geschichte vom Ostereier legenden Hasen für ein Vergnügen der Erwachsenen, die nicht einmal die Kinder ernst nehmen konnten. Aber sie glaubten auch nicht recht an den Osterfuchs, den Hahn, den Storch oder den Kuckuck als Eierleger. Die Eier waren ihnen wichtiger als ihr Leger. Der amerikanische Easter Bunny wurde als Bugs Bunny bekannt wie Mickey Mouse, und die Australier adaptierten ihn als Easter Bilby im Bild des „Großen Kaninchennasenbeutlers“. Ich gehöre zu den Kindern, die ihren Eltern die Lüge vom Osterhasen noch weniger abnahmen als die vom Weihnachtsmann. Die Wettessen gekochter Eier habe ich in schlechter Erinnerung.

 

Aber nicht nur die im Frühjahr fruchtbaren, „Eier legenden“ Osterhasen, sondern Feldhasen forderten Aufmerksamkeit als Bildungsgut neben erhabenen Tieren wie Adler und Hirschen, seit der deutscheste aller Künstler, Albrecht Dürer, einen von ihnen in einem Blatt überaus realistisch festgehalten hatte, das ein Faszinosum wurde: ein Meisterstück des Realismus, ein Andachtsbild deutscher Kunst. Es wurde nicht nur seit dem 16. Jahrhundert kopiert, nachgeahmt und vervielfältigt, sondern zieht bis heute viele Menschen in die Wiener Albertina. Und der Hase inspirierte auch Künstler im 20. Jahrhundert. Der Engländer Barry Flanagan hat den hoppelnden, sich auf die Hinterbeine erhebenden, tanzenden, über die Weltkugel springenden Hasen in zahlreichen großen öffentlichen und kleinen Bronzen gefeiert  und die Piers im Hafen von Portland/Oregon mit ihnen besetzt.

 

Der berühmteste Hase im Rheinland ist der tote, dem Joseph Beuys in Düsseldorf 1965 die Bilder einer Ausstellung erklärte. Als schweigender Schamane mit gold- und honigbedecktem Kopf trug er ihn wie eine Marionette von Bild zu Bild. Das tote Tier stand ihm für die gefährdete Natur, die der Mensch dank seiner Kreativität zu retten aufgerufen ist.

Das gehämmerte Abfallstück von Thomas Virnich in dieser Abbildung muss nicht als Hase erkannt werden. Es ist aus Silberblech, vielleicht Fragment einer illustrativen Platte auf einer Devotionalie (ich meine, eine Frau, die ihre Arme zu einem flie0enden Wasser streckt, zu erklennen). Das kleine Stück ohne Marktwert, ein ready-made vom Schrottplatz, erinnert mich an jenen anderen, silbern glänzenden Bugs Bunny aus Edelstahl von Jeff Koons, der zum Vergnügen der amerikanischen Kunstkritik für 17 Millionen Dollar versteigert worden ist, einer von drei.

Der Hase ist offenbar eines der wenigen Tiere, dessen Haken schlagende Sprünge sich für die kleine Welt der Lügen, Illusionen und Täuschungen anbieten – die Welt der Kunst – und der Pataphysik.

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Virnich 1

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