- Kalendergeschichte
W E M G E H Ö R T C A M P H I T F E L D ?
Von der breiten Allee aus höre ich satanischen Rap von Public Enemy, rieche Feuer und die Farben aus der Spray Gun: Zwei in einem verfallenen Lagerhaus – Sprayer aus Aachen: dieses 430.000 m² große verwilderte Gelände im Süden der Stadt zwischen Autobahn und Augustinerwald, Munitionslager der deutschen Truppen am Westwall, Armeelager der belgischen Besatzer bis 1992, danach Eigentum des Bundes, gehört ihnen. Wirklich? Es heißt nach Gabrielle Petit, der belgischen Widerstandskämpferin und Nationalheldin, die einem deutschen Erschießungskommando am 1. April 1916 trotzig entgegenrief: „Vous allez voir comment une femme belge sait mourir“.
Solche Ländereien, die Kriege ungenutzt, verwildert, vermint, voller Altlasten in der ganzen Welt zurückgelassen haben, finden unendlich langsam Eigentümer, die bereit sind, sich auf sie einzulassen. Camp Hitfeld hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben von den Belgiern übernommen, eine Hälfte der Bundesforstverwaltung zur Arrondierung des Waldes zugeschoben und die andere? Ein Freizeit- und Breitensportzentrum? Eine große Photovoltaikfreiflächenanlage für die Stromversorgung Aachens? (Vorkaufsrecht für die Stadt? Koordinierung mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben?) Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien bis 2020 auf 20%?
Es ist eigentlich unvorstellbar, dass eine Bundesbehörde ein großes Gelände dieser Art an ein privates Unternehmen verkauft – dass ein Preis nicht öffentlich ermittelt wird – dass über Bedingungen der Nutzung nichts bekannt wird. Es scheint aber doch passiert zu sein, ohne Versteigerung: 400.000 m² für 600.000 € an die Aachener Landmarken AG.
Die Sprayer horchen auf. Ein Traum wird sichtbar: ein weitläufiges Kunst- und Industriezentrum auf einer Brache mit Hilfe kapitalkräftiger Unternehmen (Kunden der RWTH), Hotspot des Tourismus, Bus-Shuttle – nach einem bescheidenen Modell in Leipzig (die Baumwollspinnerei) und einem atemberaubenden in Peking: 798 ART ZONE („ Nehmen Sie an dieser 4-stündigen privaten Walking-Tour zum Kunstbezirk 798 teil, um den größten Raum für kulturelle, künstlerische, kommerzielle Aktivitäten und Modenschauen zu erkunden… eine köstliche Mahlzeit in einem der berühmtesten lokalen Restaurants einzunehmen, um die kaiserliche und die Pekinger Küche zu genießen.“)
Jetzt erinnern sich die, die das Eigentum der Bürger verwalten, dass sie eigentlich längst tätig sein, längst mit den Sprayern und vielen anderen sprechen, erklären sollten, warum eine Solaranlage nicht möglich war, Führungen im Gelände, die Einrichtung eines Wahllokals dort betreiben. Jetzt haben sie, denen der Bund die Länderei nicht übereignen konnte, so wenig Recht darauf, dass sie es einklagen müssen. Die Großmutter des Sprayers erinnert sich: „Hitfeld da fuhr ich von Brand mit der Straßenbahn vorbei – und erinnere mich an die außergewöhnlichen riesigen Kinderwagen der Belgo Frauen – und Babys mit Ohrringen.“
Armes Aachen.
Abb. Nicht Gabrielle Petit vor Camp Hitfeld, sondern eine Skulptur im Kunstzentrum 798 in Peking