Ein Nachruf für Michael Schniedermeier
2007 sprachen wir in seinem Atelier im Süsterfeld über die Arbeit und die Ausstellung in der Galerie S. am Hof in Aachen, die er vorbereitete. Nein, er wollte den Raum nicht inszenieren, nur über sich sprechen, die Einsamkeit des Bildhauers. Oder die Zweisamkeit: wie Aeneas seinen alten Vater Anchises aus dem brennenden Troja trägt. Er liebe die imposanten Figuren der Mythologie: Prometheus, den Minotaurus. Und er liebe die Geräusche des Bildhauers: Kratzen, Schneiden, Sägen im Gips und Holz, Matschen in Ton, Gießen in Bronze. Wir sprachen über das Handwerk des Bildhauers.
Schniedermeier hat von 1980 bis 2015 am Lehrstuhl für Plastik der RWTH gearbeitet und die Keramikwerkstatt, die Bronzegießerei und die Werkstatt der Bildhauerateliers geleitet. Zusätzlich unterrichtete er Bildhauerei in Stein und Holz. In den Kunstakademien von Düsseldorf und Maastricht hatte er sich gut vorbereitet. Er kannte sich aus.
Als wir 2007 sprachen, war er 55 Jahre alt. Er sei nicht jung und schön, jetzt interessiere ihn die Typologie des Alters, die Magerkeit, die Falten, der seherische Ausdruck – wie bei Giacometti – oder die metaphysische Perspektive wie die klerikalen Würdenträger bei Manzu. So einen Bischofshut könnte man aus Wachsplatten einfach zuschneiden. Und zur metaphysischen Perspektive die mythologische: Prometheus an den Block gefesselt, der weich geformte, fließende Körper an stereometrischem Kubus – das Gefängnis. Die Versuche der Befreiung verführen den Modellierer zur Bravura. Er denke an Francis Bacons Köpfe.
Er schenkte mir eine kleine Bronze. Er hat sie aus einem Stängel hochgewickelt, eine zierliche Büste mit einem grobschlächtigen Gesicht, über dem sich die Wölbung eines Schädels gewichtig aufbläht, als würde allein sein Gewicht den dünnen Stängel brechen. Ich umfasse den glatten Hinterkopf mit der Linken, hebe ihn hoch und fühle, wie Schniedermeier lustvoll mit den Fingern der rechten Hand die Gesichtszüge im weichen Gips modelliert hat.
Die Ausstellung in der Galerie S. ist ihm gut gelungen. Am 24. Oktober ist Michael Schniedermeier gestorben.