F O T O S D E R N E A N D E R T A L E R – J O E L F I S H E R
Ein veganer Aussteiger in Wollfilzkleidern, einer, der den Notstand der Erde ernst nimmt, wird auf seinen Laptop nicht verzichten wollen, aber versuchen, die elektrische Energie, die er braucht, um ihn zu bedienen, aus den Bäumen, die ihn umgeben, zu gewinnen. So einer war Joel Fisher, als er in den „Individuellen Mythologien“ der documenta 5 mit „biomorphen Skulpturen“ aus Butter und Lauge teilnahm. Bevor er 1974 in der Neuen Galerie ausstellte, hatte er tagelang nur Papier gegessen und mit den ausgeschiedenen Resten neues Papier geschöpft. Etliche dieser „Palimpseste“ bewahre ich auf. Natürlich besaß er einen modernen Fotoapparat, aber zu seinen Versuchen, sich in die Kultur eines „Neandertalers“ zu versetzen, sich vorzustellen, dass die Entwicklung unserer technologischen Zivilisation noch einmal beginnen müsste, gehörten der Bau einer vorzeitlichen Kamera und die Arbeit mit Silberchloriden in der Dunkelkammer. So entstanden Fotoabzüge wie die seiner Schuhe und einer Vogelfeder, die er mir schenkte.
Ich muss mir vorstellen, dass bis zur Erfindung von Brillen, Linsen, Lupen, Mikroskopen und Teleskopen die Mehrzahl der Menschen ihre Wirklichkeit unscharf gesehen hat; dass das HD-Erlebnis, das mir heute Smartphones erlauben, zu den Eigenarten gehört, die mich von allen Menschen der Vergangenheit krass unterscheiden. Fisher litt unter dieser Vorstellung und versuchte, sich in den Zustand eines Neolithikers zu versetzen. In den schrundigen Papieren, die er schöpfte, entdeckten wir unter der Lupe feine Haarschleifen, die er nachzeichnete und übertrug, als wären sie Buchstaben eines unbekannten Alphabets. Sie verwandelten den Ausstellungsraum in ein Altamira – eine feine Erinnerung an die, von denen wir abstammen.