M I C H E L H U I S M A N
Dieses Foto von Leo van Velzen zeigt einen flammenden Metallkasten auf großen Rädern, den der Künstler auf dem Dach eines hohen Hauses über der Stadt schiebt – sein Feuer, sein Ingenium, weithin sichtbar. Keiner ist so sehr Künstler wie Michel Huisman in Heerlen. Als ich ihn vor 40 Jahren entdeckte, lebte und träumte er in prekären Verhältnissen, und ich ging mit einem Holzkästchen nach Hause, öffnete es nachts, schob dünne Messingröhren aufeinander, setzte einen Pingpongball darauf und horchte. Er leuchtete, und Grillen zirpten. 1998 begann eine große Wanderausstellung Huismans im Ludwig Forum. Der Künstler sprach zu den Werken. Immer mehr Leute kamen. Insbesondere die Frauen schwärmten von ihm. Er wohnte nun in einem großen baufälligen Haus mit seiner Familie und träumte, das Heerlener Mandquartier, das gefährlich verwilderte Bahnhofsviertel, zu bebauen. Er formulierte eine Botschaft an Politiker, Stadtplaner und Architekten, die er in seinen zahlreichen Reden in youtube wiederholt: alles Rationale sei in das Funktionale, alles Emotionale in das Sentimentale degeneriert; die Gehirnhälften, die sich getrennt hätten, müssten wieder zusammengeführt werden. Er widersprach den „Bauhäuslern“ (Sullivan: Form follows Function, Van der Rohe: Less is more) und entwarf ohne Auftrag ein Architekturmodell des Bahnhofs und seiner Umgebung, dem die Heerlener Stadtväter nicht widerstehen konnten. Gegen den Widerstand der Berufsarchitekten erhielt Huisman den Bauauftrag. 2019 fahren die Züge unter einem umfangreichen Wohn- und Geschäftszentrum hindurch, wandern Besucher durch Innenhöfe, bestaunen einen Uhrturm mit einem beweglichen Spiegel, der Tageslicht in die Untergeschosse leitet, und fragen nach den Eigentümern der Wohnungen. Heerlen hat ein Denkmal der Postmoderne erhalten.
Die zahlreichen öffentlichen Auftritte Huismans, die youtube und vimeo dokumentieren, verraten eine missionarische Leidenschaft, die die Kunst als Werkzeug gesellschaftlichen Wandels vorführt. Und ich begreife ungern, dass Huisman den Künstler, dessen Werk ich in Museen und Ausstellungen geliebt habe, hinter sich gelassen hat. Er hat mir versprochen, das Kästchen mit dem Pingpongmond zu reparieren. Aber ich traue mich nicht, es zurückzufordern. Mir bleiben etliche Skulpturen und Fotos.