F R O M M E F O TO G R A F I E – ROBERT LEVERANT
Peter Helm gehörte zu den Fotografen, die ich 1981 in der Neuen Galerie ausgestellt habe. Er hatte damals das Buch „Zen in der Kunst der Fotografie“ des Kaliforniers Robert Leverant übersetzt und in Deutsch herausgegeben, und wie die englische Ausgabe so erschien auch die deutsche bis heute in mehreren Auflagen. Das machte mich neugierig. Das Büchlein von 44 Seiten enthält 168 nummerierte Stanzen, und wenn Leverant es Kirpal Singh widmet, „der es geschrieben hat“ (will sagen: êr habe es so geschrieben, wie Kirpal Singh es geschrieben hätte), so stoße ich auf einen buddhistischen Visionär, der bis zu seinem Tod 1974 vor dem indischen Parlament und vor der UNESCO, in zahlreichen Publikationen in vielen Sprachen eine Weltreligion definiert hat, die friedvoll alle Religionen vereinen würde. Die Lehren des Sant Kirpal Singh zum neuen Leben sind Teil buddhistischer Meditationslehren. Ich war überrascht zu sehen, wie leicht Leverant die Fotografie in diese religiös bestimmte Philosophie eintragen konnte: 2. Stanze: „Eine Kamera ist eine Erweiterung unseres Selbst. Ein Zubehör, das uns dem Universum näherbringt.“ 5. Stanze: „Unsere Fotografie beweist uns, ob wir unseren Schleier durchstoßen haben und unser Universum geworden sind.“ 30. Stanze: „Eine Kamera ist nur ein Vermittler zwischen uns und einem neuen Uns. Wenn die Kamera uns dorthin gebracht hat, benötigen wir sie nicht mehr.““
Leverant geht weit über die „Lichtmalerei“ hinaus und teilt die Begeisterung über seine Existenz mit: 136. Stanze: „Wir leben in der Gegenwart und alles lebt im Hier und Jetzt und erfüllt sich selbst und wird erfüllt, und das ist fantastisch.“ Angesichts des Füllhorns schöner und hässlicher, begeisternder und abstoßender Bilder der Welt, die Fotografen geschaffen haben, ist das Vokabular, das seiner Begeisterung dient, andächtig bescheiden: Himmel, Wiesen, Vögel, Bäume, Sonne, Wasser, ein Mensch (161. Stanze). Es bereichert die Projektionen buddhistischer Meditationen. Und sein Buch hat auch in Deutschland Nachfolger gefunden, in denen die Verbindung von Fotografie und Zen gesucht wird. Die Hippie-Kultur der 60er Jahre und Ravi Shankar konnten solche Visionen tragen. Heute sind Bäume, Vögel, Wasser, die Sonne und der Himmel apokalyptisch mit Ängsten besetzt, die biedermeierliche Idyllen verdrängen.