F O T O S VON F O T O S
Zu den Fotografen, die seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts über Aachen hinaus bekannt geworden sind, gehört Wilhelm Schürmann, damals, als ich ihn kennen lernte, Chemiestudent der RWTH, Gründer der Fotogalerie LICHTTROPFEN und Dozent für Fotografie im Institut für Architektur und im Fachbereich Design der Fachhochschule. Nur kurz hat er für eine Aachener Tageszeitung gearbeitet, lang, bis heute, frei. 1976 habe ich ihn mit Anne Gold und Klaus Herzog in der Neuen Galerie ausgestellt, Bilder aus Pennsylvania (USA), England, Holland, Belgien und Aachen. Damals fragte ich ihn:
„In Ihren Dokumentarfotografien erscheinen Pointen oder Gags, die durch Worte, Schriftzeichen oder im Bild zitierte Bilder erzeugt werden. Darin äußert sich ein trockener Humor (…)?“ Er antwortete: „Wahrscheinlich ist das sehr persönlich durch meine Herkunft aus dem Ruhrgebiet und einen nüchternen, kühlen Charakter bedingt. Mich reizen diese Bemalungen auf Kirmesbauten und die Komik der belgischen Hausfassaden.“
Diese trockenen Schwarz-Weiß-Bilder kurioser Hausfassaden machten ihn damals bekannt. Aber jetzt, als wir über ein Revival dieser Geburtsstunde der Aachener Fotoszene sprachen, interessierte ihn mehr noch, an die Ausstellung „Song of Joy“ 1983 zu erinnern, die er mit dem Maler Martin Kippenberger, ebenso aus dem Ruhrpott, in der Neuen Galerie inszeniert hat: „Gemalte Bilder“ „Fotografierte Bilder“: der 1. Auftritt des ausschweifenden, zotigen, unflätigen Malers „besser ein lebendes Komma als ein toter Punkt“, der – sozusagen – den Fotografen zu einem der mutigsten Sammler zeitgenössischer Kunst in Deutschland machte. 1980 hatte ich einer Gruppenausstellung den Titel „Die Neuen Wilden“ gegeben, 1981 nahm Kippenberger an der „Rundschau Deutschland“ in Köln teil, in der die neue Malergeneration sich versammelte. Schürmann holte ihn nach Aachen.
Schürmann war sicher nicht der einzige, der werbende Bilder und Schriften im öffentlichen Raum fotografierte, aber in „Song of Joy“ suchte er den Dialog mit dem Maler, indem er farbige anonyme, öffentliche Bilder so aufnahm, dass sie das Foto bis an den Rand füllten; und er rahmte sie dunkelfarbig wie Gemälde. So wurde diese Werbung für ein Protein-Müsli zum schnellen Abnehmen zu einem Rückenakt, der in seiner gedrängten Fülle den Rahmen seines Bildes zu sprengen droht – aus der „Küchensprache“ stammt das Wort FARCE, das ein Zitat von Roland Barthes im Katalog benutzt, um die „höhnische Verdoppelung“ der Aussage zu charakterisieren. Drei dieser „Farcen“ wird die Ausstellung GESCHENKT – GERSAMMELT von Wolfgang Becker. FOTOD AACHENER KÜNSTLER 1974-2018 im STADTBAD AACHEN zeigen 12. September – 13. Oktober 2019.