E K E L A L F R E D
Die Verwirrung um den Kodex der Kunst erreichte ihren Höhepunkt, als die documenta 6 1977 nicht nur den Künstlern der BRD solche der DDR zur Seite stellte (Sitte gegen Baselitz), sondern in die den Kodex mitbestimmende Präsentation die Fotografie aufnahm und durch eine Retrospektive „150 Jahre Fotografie“ sanktionierte. Michael Leisgen war mit seiner Frau Barbara dort vertreten und erstaunte nicht schlecht, als ich ihm heute 8 DIN A 3 große Schwarzweiß-Fotos von Schaufensterpuppen zeigte, die ich beim Aufräumen gefunden habe. Sie sind signiert und gestempelt „Heinz Schubert, Hamburg“ und stammen sicher aus dem Konvolut, das dieser Heinz Schubert in der documenta 1977 gezeigt und 1979 in seinem Buch „Theater im Schaufenster“ publiziert hat. Dieser Heinz Schubert ist der Filmschauspieler, der als Alfred Tetzlaff in der TV-Serie „Ein Herz und eine Seele“ überaus beliebt wurde. Jemand, der sich wünschte, die Neue Galerie – Sammlung Ludwig könnte sie ausstellen, muss sie mir untergeschoben haben.
Vielleicht hat „Ekel Alfred“ sich auch über Schaufensterpuppen zynisch ausgelassen so, wie er als Fotograf über sie hergefallen ist, als wären sie die Menschen, deren Kleider sie anpreisen. Er hat die Schaufenster nicht wie andere Fotografen als ready mades, als vorgefundene Bühnen dokumentiert, sondern in ein Atelier verwandelt, in dem der Autor Modelle und das Werkzeug der Dekorateure für Inszenierungen verwendet, die diffus und vordergründig Wut und Trauer ausdrücken, wo Schlipsträger erst dann ein Gesicht gewinnen, wenn er, der Autor, Aluminiumfolie über den Puppenschädel legt. Ich habe diese Fotos in der documenta nicht wahrgenommen, jetzt interessiert mich, in welcher Nachbarschaft sie zu sehen waren. Freunde fragen: Waren sie wirklich dort?