Der Osterhase im Treibhaus des Kunstmarktes – Jeff Koons „Rabbit“
Albrecht Dürers Aquarell eines Fellhasen hing als wohlfeiler Kunstdruck im Wohnzimmer meiner Eltern. Den Hasen von Jeff Koons, den am 15. Mai der Kunsthändler Mnuchin für 91 Mio. $ in New York ersteigerte, hätten sie für eine Witzfigur aus der Werkstatt von Cape Kennedy gehalten. Sie hätten nicht erkannt, dass dieser 1m große stählerne Hase die virtuose Kopie eines INFLATABLES, einer aufblasbaren Figur ist, die Koons, als er noch am Tresen des Museums für moderne Kunst Menschen einlud, Mitglied im Museumsverein zu werden, in seiner Wohnung in East 4th Street mit 100 anderen inflatables sammelte – in einer Präsentation zwischen Spiegeln, die er „Entering the Objective Realm“ nannte. Seit die bekannte Galeristin Ileana Sonnabend ihn vertrat, sind die 4 Stahlkopien, die er 1986 herstellte, zu steigenden Preisen in die Hände von Millionären geraten. Saatchi in London kaufte eine für 40.000 und verkaufte sie für 950.000 $. Der Händler Gagosian verkaufte seine für 1 mio. Er bedauert es heute.
Die Versteigerung eines der 4 Hasen am 15. Mai gab den New Yorker Kunstkritikern Anlaß, das ausgestellte Werk zu preisen: die „ “incredible balance ….between the tremendous specificity of the casting—the fine detailing of the crimps, the puckers of the plastic—with its abstraction: the blankness of the face, the missing printing on the vinyl,…..The tension that he creates between fine detail on the one hand, and a blankness on the other, is incredibly mesmerizing.” (Rothkopf) Die Figur sei nicht nur Duchamp auf den Kopf gestellt, ein Wegwerfobjekt verwandelt in ein „silver dynamo, a sparkling expensive orb – a luxury purchase – kitsch and beauty.“ Schaue man zurück auf Michelangelo, so sei dies ein ‘anti-David“,
Der Kritiker preist zu Recht die Qualität des Stahlgusses: Man muss die Gießerei bewundern, der es gelingt, ein weiches Vinylvolumen so zu kopieren, dass alle Details sichtbar bleiben. Aber die New Yorker Lobredner projizieren diese Leistung so in die Kunstgeschichte, als hätten Brancusi und Michelangelo ihre Skulpturen ebenso herstellen lassen – und lassen gern aus, dass das berühmte Urinoir von Duchamp das Objekt selbst war und so sehr missachtet wurde, dass es verloren ging und nur noch in einer Fotografie und zahlreichen Repliken weiterlebt.
Als europäischer Kunsthistoriker habe ich in den 60er Jahren die pop art als stark wirksamen Reflex der amerikanischen Konsumgesellschaft bewundert und braune Einkaufstüten von Warhol und Lichtenstein für 40 DM gekauft. Jeff Koons schafft es, den internationalen Kunstmarkt und die winzige Minderheit der Milliardäre in eine Sphäre dieser Gesellschaft zu heben, in der sie traumhafte Züge annimmt. Der Gegenstand der Aufregung macht traurig: der arme Osterhase!