K U N S T A B C
1973 -77 habe ich unter diesem Titel 173 Texte in der Aachener Volkszeitung publiziert. Den einen oder anderen redigiere ich jetzt, um auf mich und eine andere Epoche der Kunst- und Weltgeschichte zurückzuschauen.
Kunst ABC AVZ 8. 11.
R E N É M A G R I T T E
1967 starb der belgische Maler 69-jährig in einer Brüsseler Wohnung, in der er seit 1930 gelebt und gearbeitet hat. Er hatte die Malerei mit Picasso vollendet gesehen und meinte fest, sie überwunden zu haben; ihm war sie nur ein Bildmedium wie andere auch, und so hat er viele unverwechselbar Magrittische Fotografien und Filmversuche hinterlassen. Doch wie die Surrealisten des Kreises um André Breton, dem er sich 1927 angeschlossen hatte, ordnete Magritte die Handschrift des Malers den Inhalten, den Motiven unter so, dass sie sogar als Illusionen Bilder im Bild werden konnten. Die Illusion, die ein Spiegelbild vermittelt, können auch Fotos und Filme im Licht erzeugen, Bilder schaffen sie vollendet als Malerei. Ihn interessierten wenig die Visionen, Fantasien, Ausflüge ins Unbewusste der Surrealisten: „Ich will die vertraute Realität vielmehr so zeigen, dass diese unmittelbare Realität ihren sanften oder schrecklichen Charakter verliert du schließlich ihre mysteriösen Charakter offenbart.“ Die Beobachtung eines „mysteriösen Charakters“ setzt eine zweifelnde Haltung, die kühle Distanz des Wissenschaftlers zur Wirklichkeit voraus; so sehr er den „Metaphysiker“ Giorgio de Chirico bewunderte, so blieb seine Suche nach dem „Mysteriösen“ doch nüchterner, fast kriminologisch, auf verblüffende, geheimnisvolle Gegenüberstellungen konzentriert, wie er sie bei Schriftstellern wie Edgar Allen Poe fand. Die kühle, demonstrative Distanz, die spöttische Koketterie haben ihm, dem Wolf im bürgerlichen Schafspelz, ein besonderes Profil im Kreis der Surrealisten gegeben und ihn neben dem Dadaisten Marcel Duchamp zu einer Vaterfigur der neuen Generationen der Pop Art, des Neuen Realismus und der Konzeptkunst um 1970 gemacht.
Der „Wissenschaft der Bilder“ hat Magritte einen kräftigen Anstoß gegeben, als er 1929 das Bild malte „La Trahison des images“ (Der Verrat der Bilder) „Ceci n´est pas une pipe“ (Dieses ist keine Pfeife): eine Pfeife und ein Schriftzug von Schülerhand – eine Lektion also. Das Bild einer Pfeife ist keine Pfeife. Ist das Bild eines Schriftzuges ein Schriftzug? Sind Schriftzug und Pfeife Teile eines Bildes oder ist das Bild der Pfeife in Bild im Bild des Schriftzuges? (Die Philosophen Jacques Lacan und Michel Foucault haben dem Bild und seinem Titel semiotische Untersuchungen gewidmet) Die Distanz zu den Gegenständen und ihren Bezeichnungen hat ihn dort fasziniert, wo der Betrachter zu widersprechen, zu fragen gezwungen ist. Das „Mysterium“ des René Magritte ist dort sichtbar.
Abb. L´espoir rapide (Die rasche Hoffnung) 1927 50 × 65 cm, Kunsthalle Hamburg