Beckeraachen

Kunstwechsel

Kinetik

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K U N S T A B C
1973 -77 habe ich unter diesem Titel 173 Texte in der Aachener Volkszeitung publiziert. Den einen oder anderen redigiere ich jetzt, um auf mich und eine andere Epoche der Kunst- und Weltgeschichte zurückzuschauen.
Kunst ABC AVZ 8. 12. 1973
K I N E T I K
Op Art Werke können Bewegungen erzeugen, kinetische Werke bewegen sich. Der technische Fortschritt liefert ihnen die Motoren. Dort, wo Faszination vor dem Unerwarteten, Ungewohnten entstehen kann, wird sich kinetische Kunst entwickeln können, Wo technologischer Fortschritt als Teil zivilisatorischen Fortschritts für selbstverständlich gehalten wird, hat sie es schwer. Ein amerikanischer Kinetiker ist nicht bekannt geworden.
Vorläufer kinetischer Kunstobjekte sind Spielautomaten und Farblichtspiele. Sie tauchten in den 20er Jahren in Kunstausstellungen auf, als die Abstraktionen die Abbilder der Wirklichkeit verdrängten. Entwürfe von „Gesamtkunstwerken“ in Schauspielen, die das neue, technologische Zeitalter feierten, enthielten „Kunstmaschinen“ in Moskau und im Dessauer Bauhaus der 20er Jahre. Die Manifeste, die sie begleiten, sprechen nicht nur von Grenzerweiterungen der Kunst, sondern entwerfen soziale Utopien, in denen sich große Bevölkerungsgruppen in Lichtspektakeln vereinen.
Diese soziale Komponente, die über das bürgerliche Kunstpublikum hinausgreift, ist der kinetischen Kunst bis heute erhalten geblieben – vom Spielobjekt, das nach neinem Tastendruck glänzt, flimmert, „spricht“, bis zu dem kybernetischen Turm von Nicolas Schöffer, der im Zentrum von Paris alle Geräusche des Verkehrs aufnehmen und elektronisch in Lichterscheinungen übersetzen soll: ein neuer Eiffelturm. Das kinetische Objekt ist also nicht nur eine Skulptur, sondern eine von Künstlern entwickelte Maschine – die einzige Maschine, die sich auf eine ästhetische Funktion beschränkt. Werden andere Maschinen wie Motorräder oder Lokomotiven, deren Schönheit wir bewundern, nutzlos, so könnten sie wie kinetische Objekte betrachtet werden. Diesen Bezug nutzen einige Künstler: Nicolas Schöffer projiziert die Rotation von Lichtmaschinen auf einen Mattglasschirm, um ihre Bewegung als bewegliches farbiges Bild zu zeigen. Und Jean Tinguely baut seine lärmenden Maschinen aus Schrottteilen und programmiert in einigen Fällen sogar ihre Selbstzerstörung ein – eine komödiantische Referenz an das Maschinenzeitalter.
Es gibt kinetische Objekte, die keiner Maschinen bedürfen, um sich zu bewegen: „Mobiles“ von Alexander Calder und George Rickey folgen in natürlichen Schwingungen als Objekte in Landschaften dem Wind. Der Zufall ihrer Bewegungen ist der Natur anvertraut. Das freundliche Bild, das sie entwerfen, macht sie zu Spielobjekten und dekorativen Markierungen. Nutzbare Windräder werden sie in Zukunft ersetzen.
Abb. Nicolas Schöffer, Kybernetischer Turm, 52 m hoch, Lüttich 1961 – Sensoren (Mikrofone, Hygrometer, Anemometer) bestimmen die Bewegungen von Spiegeln, Lichtquellen und Soundprogrammen.

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