K U N S T A B C
1973 -77 habe ich unter diesem Titel 173 Texte in der Aachener Volkszeitung publiziert. Den einen oder anderen redigiere ich jetzt, um auf mich und eine andere Epoche der Kunst- und Weltgeschichte zurückzuschauen.
Kunst ABC AVZ 2.11.1974
F A R B F E L D M A L E R E I
Colorfield painting ist ein amerikanischer Gruppenstil der 60er Jahre, den der Kunstkritiker Clement Greenberg getauft, definiert und theoretisch unterbaut hat. Wichtige Mitglieder der Gruppe wie Morris Louis und Kenneth Noland arbeiteten nicht in New York, sondern in Washington. Ihre Sonderleistung war, sich von dem action painting des Jackson Pollock zu distanzieren, Rückhalt in der Farbtradition des späten Henri Matisse zu suchen und Helen Frankenthalers Anregung zu folgen, Leinwände einzufärben, mit Farben zu durchtränken. Das wurde mit den neuen wasserlöslichen Acrylfarben möglich. Sie forderten keine Grundierung.
Ein Farbfeldmaler malt kein Bild, sondern ein Feld ohne Rahmen und Bildraum, aber er nutzt Bildregeln wie Zentral- oder Luftperspektive, Farbwahrnehmung (rot vor blau), Farbauftrag: Impasti, lasierende, a-la-prima-Farben. Er muss Farbbewegungen und -formen erfinden, die nichts als Farben sind: Streifen, Kreise (Schießscheibe!), Schleier; keine Kleckse und Spritzer, die den Malgestus wie bei Pollock sichtbar machen, keine unregelmäßigen Segmente wie bei Helen Frankenthaler, die an Landschaften und Wolken erinnern. Und der Farbauftrag darf nicht materiell sichtbar sein, das Pigment selbst muss leuchten.
Im April 1955 besuchte Morris Louis Helen Frankenthaler (ihr Mann Robert Motherwell) und sie zeigte ihm, wie sie wasserlösliche Acrylarben auf Leinwände goss. Er war begeistert und entwickelte daraus mit Kenneth Noland
eine Maltechnik, deren Ergebnisse an riesenhafte Aquarelle denken lassen, so groß, dass sie das ganze Sehfeld des Betrachters füllen können. Das Sehfeld ist sozusagen ihr Rahmen. Die Streifenbilder Nolands könnten nach links und rechts weitergeführt werden, von der leeren Symmetrieachse der „Entfaltungsbilder“ von Louis fließen die Farben wie Energien aus den Sichtgrenzen des Betrachters. Der Maler sucht nicht eine Komposition, sondern das Farbereignis. Die Farbpigmente dürfen nicht „schmutzig“ sein, sie sollen leuchten wie die der Scherenschnitte von Matisse. Sie sollen sich begegnen, Komplementärkontraste bilden und die kreativen Energien zeigen, die in den Tüchern zum Stillstand gekommen sind. Clement Greenberg soll den Malern geholfen haben, aus den gefärbten Tücher Bilder, als umgrenzte große Rechtecke, auf Keilrahmen gespannte Tücher zu machen.
Die französische Gruppe Supports Surfaces hat das revolutionäre Element des colorfield painting weitergeführt, auf Tüchern aller Art, Kleidern, LKW-Planen mit Farbstoffen wie Schweröl, Kaffee und Tee gegossen, gestempelt, gefärbt. Die Befreiung von der akademischen Malerei hat hier 1968 politische Züge angenommen, die den Amerikanern fremd waren.
Abb. Kenneth Noland Provence 1960 91x91cm aus der Serie Targets, Museum Ludwig Köln