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Kunstwechsel

Rotchina: Kunst

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K U N S T   A B C

1973 -77 habe ich unter diesem Titel 173 Texte in der Aachener Volkszeitung publiziert. Den einen oder anderen redigiere ich jetzt, um auf mich und eine andere Epoche der Kunst- und Weltgeschichte zurückzuschauen.

Kunst ABC   AVZ 8.5.1975

R O T C H I N E S I S C H E   K U N S T

Im Oktober 1973 wurde zum 1. Mal in Peking eine Ausstellung von 179 Bildern von Amateurmalern aus dem Distrikt von Houhsien gezeigt. Sie wanderte danach durch China. 1.200.000 Menschen haben sie besucht. Seit dem „Großen Sprung vorwärts“ 1958 haben sich etwa 700 Laienmaler bekannt gemacht, bis heute sollen etwa 40.000 Wandbilder, Holzstiche, Bildergeschichten, Scherenschnitte, Illustrationen und Gemälde entstanden sein. Sie haben immer ein großes Publikum, Holzstiche, Bildergeschichten und Plakate erscheinen in Millionen-Auflagen und werden – ohne Marktwert – verteilt. Die Regierung ermutigt die Künstler zu freiem Ausdruck und zu formalen Experimenten schon deshalb, weil sie von einer so großen Menge von Künstlern nicht einen einheitlichen Stil verlangen kann, sie auferlegt ihnen aber ein geschlossenes inhaltliches Programm, das der Werbung für ein positives Selbstverständnis der Bevölkerung als Arbeiterklasse, für einen aus den Befreiungskämpfen historisch begründeten Patriotismus und für einen Kritik an den Feinden Chinas dient. Wo die Kunst in so großem Ausmaß Träger der Informationen ist, muss ihre Bedeutung weit gefasst werden und vieles von dem abdecken, was bei uns Tageszeitungen, Illustrierten, Radio, TV und Fotos leisten.

Die Geschichte dieser neuen Kunst beginnt 1964, als eine Gruppe von Bühnenkünstlern die Peking-Oper reformierten. Sie wurde mit ihrem revolutionären Programm weltbekannt. Dort entstand die Frage: Wie lassen sich über Jahrhunderte entwickelte Kunstsprachen umformen, um mit ihnen neue Inhalte auszusagen? Müssen alte Kunstsprachen zerstört werden, weil man mit ihnen nur alte Inhalte vermitteln kann? Bildende Künstler haben verschiedene Antworten entwickelt – zuerst die Kalligrafen, die nach dem Vorbild der von Mao Tse-tung selbst gemalten Schriftzeichen seine Botschaften gestalteten. Den akademischen Malern „im traditionellen chinesischen Stil“ folgten einem in Jahrhunderten überlieferten Symboldenken, in dem jeder Gegenstand eine überlieferte Bedeutung hatte. Ihr Medium war Tusche auf Papier, und nur wenn sie sich der europäischen Ölmalerei zuwandten, die seit dem Beginn des Jahrhunderts bekannt geworden war und in revolutionären Schulen gelehrt wurde, konnten sie den Lehren des russischen Sozialistischen Realismus folgen. Heute wird diese Abhängigkeit kritisiert: sie führe zurück zum Künstlerselbstverständnis des Spezialisten und wende sich an eine begrenzte Öffentlichkeit, dagegen sei wichtig, alle Bildgattungen zu fördern, die in Reproduktionen eine große Bevölkerung erreichen und Laien zur Nachahmung anregen. Der Künstler als allein Schaffender sei weniger wichtig als der, der die Nähe der arbeitenden Bevölkerung sucht. Künstler werden in städtischen und ländlichen Betrieben Arbeitergruppen zugeordnet, unterrichten sie in bildnerischen Techniken und diskutieren, wie bestimmten Inhalte, die im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stehen (wie die Kritik an Konfuzius und Lin Biao) zu verbildlichen sind.

Die zeitgenössische chinesische Kunst, die uns in letzter Zeit bekannt wird, ist eine Dialogkunst. Bildungsstand von Hersteller und Empfänger müssen sich angleichen, damit alles fassbare, konkrete Aussage wird. Sie ist Gruppenkunst, die Aussagen des Einzelnen nicht zulässt. Sie ist zweckgebunden und berichtet nur durch diesen Filter über das kulturelle Selbstverständnis der chinesischen Zeitgenossen.

Abb. das berühmteste Werk der Kulturrevolution, der „Hof für die Pachteinnahme“ 1965 von Lehrern + Schülern der Hochschule der Künste Sichuan in Chongquin

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