K U N S T A B C
1973 -77 habe ich unter diesem Titel 173 Texte in der Aachener Volkszeitung publiziert. Den einen oder anderen redigiere ich jetzt, um auf mich und eine andere Epoche der Kunst- und Weltgeschichte zurückzuschauen.
Kunst ABC AVZ 1977
K U N S T M E S S E A R T F A I R F O I R E D´A R T
1967 einigten sich 18 deutsche Händler “progressiver” Kunst, in Köln einen Kunst-Markt durchzuführen und jährlich zu wiederholen. Der Einzug der amerikanischen POP ART und ihrer „marktschreierischen“ Angebote in Europa band sich an die altertümliche Marktvorstellung. Der Markt sollte auf dem „Marktplatz“ des Gürzenich inszeniert werden. Man würde ihn besuchen wie eine Ausstellung in der Kunsthalle, würde die Händler beachten wie Museumswärter, die ihre Schätze bewachen, und verstand, dass zeitgenössische Künstler mehr als ihre Vorfahren auf den Geldwert ihrer Produkte pochen. Denn in keiner Ausstellung der Kunsthalle wurde so viel über Geld gesprochen. Der Markt bot sogar Sonderausstellungen, Filmprogramme, Happenings usw., die die Galeristen finanzierten. Die Beteiligten blicken gern auf diese Ereignisse zurück. Sie waren eben nicht nur Händler, sondern auch Idealisten – mit 2 Gesichtern: ein humanitäres, weltbeglückendes, dem Publikum zugeneigtes und ein aristokratisches, elitär kunstkritisches, die Kollegen mit prüfenden Blicken durchbohrendes. Einige – die Plebejer sozusagen – gründeten 1972 in Düsseldorf die IKI (Internationale Kunstinformation) in den Messehallen, ausgerichtet von der Messegesellschaft, Basel folgte 1973, 1974 Paris, und nun wirbt die (kommunistisch regierte) Stadt Bologna intensiv um die Teilnahme internationaler Galerien an ihrer ARTE FIERA.
Die Orte der Kunstmessen sind Messehallen, in denen das Personal den Kunsthändlern und Kunstwerken nicht mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Vertretern der Pharma-Industrie zuvor. Die Wertehierarchie ist aufgehoben: Kunstwerke werden nicht anders angeboten als Medikamente und Miederwaren. Schließlich hat auch Albrecht Dürers Frau die Grafiken ihres Mannes auf Marktplätzen angeboten, und im Paris des 18. Jahrhunderts gab es kleine Kunstausstellungen auf Marktplätzen. Doch nichts sind solche dilettantischen Unternehmen gegen das perfekte Management einer Messegesellschaft. 300 Händler kostet die Beteiligung an der Basler Kunstmesse 1975 (nach einer Schätzung des ehemaligen Galeristen Hans-Jürgen Müller) 1,5 mio. DM. Dafür machen sich Galeristen und Künstler einem kleinen Kreis von Wiederverkäufern, Sammlern, Kritikern, Museumsleuten bekannt – und einer großen Menge von Zuschauern. Der Gewinn der Messegesellschaften macht das Projekt Kunstmesse für viele Städte interessant. Kunst bedeutet doch mehr als Pharma und Mieder. Die dort angebotenen Kunstwerke erhalten sich die Aura des Exquisiten. Die amerikanischen Galerien erreichen – mit dem know-how eines produktorientierten Verteilersystems – Höhepunkte der Inszenierung: Claes Oldenburg in Basel und die Editionen Parasol und Gemini mit klingenden Namen wie Indiana und Hockney. Das Wasser läuft einem im Mund zusammen. Und schon das ist die Messe wert. Und dann wird verkauft und wiederverkauft, getauscht und Geld gewaschen. Und die Organisatoren betrachten es als ihre Hauptaufgabe, ihre Besucher vergessen zu lassen, dass hier vor Medikamente und Mieder angeboten wurden. Die Messe als Kunsthalle – für einige Tage.
Panamarenko Einladung SaltoArte Brüssel 1975 (Maikäfer-Happening)
Abb.