Beckeraachen

Kunstwechsel

Malen 1

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K U N S T   A B C

1973 -77 habe ich unter diesem Titel 173 Texte in der Aachener Volkszeitung publiziert. Den einen oder anderen werde ich hier wiedergeben. Ich versuche, die alten Maschinen-Manuskripte zu konvertieren.

M A L E N 1 (1-3)     AVZ 20.3.1976

Es ist angebracht, in einem Kunst-ABC über die natürlichen materiellen Bedingungen der Tätigkeit nachzudenken, die ihre Quellen sind. Das Verb beschreibt eine Handlung, die sich mit bestimmten Instrumenten durchführen lässt. Alle diese Instrumente (Pinsel, Spachtel, Palettmesser) haben Stiele, sind also Verlängerungen der Hand und des Arms, wenn wir Malen nicht als Finger- oder Händemalen begreifen; dann wird in einer Verkürzung der Arm selbst zum Stiel. Malen ist nichts als eine Tätigkeit, Bemalen oder Anmalen sind bereits zielgerichtete Tätigkeiten. Folgt das Malen einfachen physiologischen Bedürfnissen, so muss der Malende diese, bemalt er einen Gegenstand, dessen Umständen anpassen. Kinder besitzen die Unbefangenheit, grundsätzlich alles bemalen oder anmalen zu können. Europäische Erwachsene haben in Elternhaus und Schule die Lektionen der Kunstgeschichte erhalten; die ästhetischen Maßstäbe, die weder gestatten zu malen noch anzumalen, aber fordern: ein Bild zu malen. Voraussetzung für ein Bild ist eine begrenzte Fläche.In der europäischen Kunst wird sie seit dem 15. Jahrhundert dadurch hergestellt, dass man ein grobes oder feines Leinen über einen in den Ecken verkeilten Rahmen, einen Keilrahmen spannt. Dieses Leinen heißt Leinwand, weil es die Wand ersetzt, auf die man bis dahin gemalt hat. Die Tätigkeit des Malens ist bestimmt von der Position des Bildträgers. Eine Wand, auf der man malt, steht vertikal vor einem; eine Holzplatte, in die man schneidet, um einen Holzuschnitt herzustellen, liegt flach auf einer stabilen Unterlage. Eine auf einen Keilrahmen aufgezogene Leinwand steht schräg auf einer Staffelei, und fertige Bilder wurden so auch Liebhabern oder Besitzern vorgeführt. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Leinwand als Bild an der Wand hängt, ja es bedurfte größter Überwindung, um den ersten Nagel in eine saubere Wand zu schlagen. An der Wand fordert das Bild eine angemessene Beleuchtung. Das ließ sich nur schwer mit Leuchtern und Blakern schaffen. Zu Seiten der Staffelei war das leichter.

Das Malen mit einem Gegenstand, der den Arm und die Hand verlängert, auf einer fast senkrechten Fläche fordert bestimmte Fertigkeiten und erzeugt andere Vorstellungen von Bild und Abbild als die Bearbeitung einer horizontalen Holzplatte zur Erstellung eines Holzschnitts. Der abbildende Maler, dem es auf Genauigkeit der Einzelheiten ankommt, bedient sich meistens der Hilfe eines Malstocks. Dieser ist an einem Ende mit einem kleinen Kissen gepolstert, das der Maler auf die Leinwand drückt; auf diese feste Unterlage kann er dann die pinselführende Malhand stützen, ohne die bereits aufgetragene Farbe zu verschmieren. Wer auf den Malstock verzichtet, muss die freie, schwebende Bewegung der Hand vor der Leinwand kontrollieren. Diese Schwierigkeit hat sich für den zeitgenössischen Maler erhöht, der die Spritzpistole verwendet. Sie ist die erste technologische Verlängerung der Hand; ein 2. Strang führt zu einer Sauerstoffbombe, deren Druck die Farbe auf die Leinwand stäubt.

Die Künstler und ihre Freunde im 20. Jahrhundert haben unter großen Mühen erreicht, dass ihr Publikum ihre Bilder nicht mehr nur als Abbilder, sondern als Bilder betrachtet. Das hat sie ermutigt, Bilder zu malen, die gar keine Abbilder mehr sind. Dabei entstand eine neue Partnerschaft zwischen Maler und Leinwand. Sie wurde zum Dokument einer Handlung.

Abb. Alain Clément Ohne Titel 1^984 160x160cm Aachen Privat

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