Stöbern im Videoarchiv des Ludwig Forums für internationale Kunst in Aachen 2
Dieses Online-Archiv ist ganz und gar in englischer Sprache gehalten – mit einer Ausnahme: der erste, der in der Reihe der Interviews gefragt wird, antwortet in Deutsch (mit englischen Untertiteln): Wolfgang Becker, und er ist der einzige, der spricht. Alle anderen Interviews liest der Benutzer als englische Texte. Warum Becker spricht, verrät an anderer Stelle ein Bericht über die Geschichte der Videosammlung: er hat sie begonnen.
Eine Chronologie „The Video-Archive in Context“ bettet die Aktivitäten der Neuen Galerie und des Ludwig Forums in eine internationale Zeitschiene von 1963 bis 2015 und zeigt, wie Videos Quellenmaterial für vielfältige Aktionen, Performances und Konzerte sind, ehe sie als autonome Kunstwerke betrachtet werden können.
194 Werke sind digitalisiert und an einer einzigen Stelle in der Bibliothek des Ludwig Forums einzusehen – offline. Das Online-Archiv enthält keine Liste der Arbeiten. Vielleicht ist man sich der genauen Anzahl nicht sicher und findet in Beckers alten Kartons noch weitere Kassetten und open reels. Vielleicht ist die Arbeit der Kontaktaufnahme mit den Autoren nicht beendet und Copyrightfragen sind ungeklärt. Es muss schon eine schweißtreibende Arbeit gewesen sein, die Erlaubnis für die Nutzung der hier online gestellten 30 Arbeiten zu erreichen.
Diese 30 sind also nicht etwa die, die die Archivare für die besten und wichtigsten halten, und alle müssen hoffen, dass die Unterhandlungen fortgeführt werden und weitere online-Schaltungen erfolgen. Denn die ausschließlich englischsprachige Fassung meint doch, dass die Forschungsergebnisse der Aachener Archivare Interessierten der internationalen Fachwelt zur Verfügung stehen sollen und weniger den deutschsprachigen Rheinländern, die stehenden Fußes ins Ludwig Forum eilen können, um an einer Sichtungsstation die Werke offline zu betrachten. Darüber hinaus sollen Werkgruppenausstellungen wie die aktuelle der belgischen Videokünstler (überaus bescheiden kommentiert) Ergebnisse fortlaufender Forschungen zeigen. Hoffentlich werden für diese Arbeiten ausreichende Nachfolgebudgets zur Verfügung stehen.
Die 30 Beiträge, die jetzt sichtbar sind, zeigen aber auch, dass es heute, im historischen Abstand, notwendig wird, kritisch zu sichten, zu werten und zu ordnen, innovative Beiträge zur Video-Kunst von elektronischen „Bricolages“, von Bandaufnahmen, die bei Performances beiläufig oder als Dokumente zu Ausstellungen entstanden sind, zu unterscheiden ebenso wie Autoren, die sich im Sog der Kreativen einmal oder gelegentlich im neuen Medium versucht haben von solchen, die ein Video-Lebenswerk erarbeitet haben.
Das Video-Archiv ist eine neue Abteilung des nun hoch gelobten Ludwig Forums und verdient die intensive Aufmerksamkeit der Kulturverwalter. Es wäre jammerschade, schliefe es auf den Lorbeeren ein, die sich jetzt angesammelt haben.
Abb. Tony Morgan „TELEVISION“ 1970