Zu der Ausstellung „Die Erfindung der Neuen Wilden“ im Ludwig Forum für internationale Lunst in Aachen 2018
OSTKUNST!
Bevor Peter Ludwig zeitgenössische Kunstwerke von Künstlern der DDR erwarb, verhandelten der Vorsitzende des Künstlerverbandes und der Direktor der Berliner Nationalgalerie mit ihm über Leihgaben westeuropäischer und amerikanischer Kunst, und ich hatte Gelegenheit, 1977 an der diskreten Eröffnung der Picasso-, Lichtenstein- und Warhol-Leihgaben in Ostberlin teilzunehmen. Erst danach begann Ludwig, assistiert von Wolfgang Schreiner, in Berlin, Leipzig und Dresden, Werke der Verbandskünstler Willi Sitte, Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, Bernhard Heisig u.a. zu erwerben und nach Aachen zu schicken. Den „Wilden“ standen nun jene gegenüber, die sich bemühten, den Projekten sozialistischer Ideologien zu folgen und das Feindbild kapitalistischer Vergangenheitsbewältigung in Bilder zu fassen. Werke des Revoluzzers Penck besaß Ludwig schon, andere von Altenbourg und Carlfriedrich Claus folgten. In der Podiumsdiskussion während der Eröffnung der DDR-Ausstellung in der Neuen Galerie 1979 hielt sich Mattheuer zurück, und seine Bilder gewannen die Sympathie vieler Betrachter, weil sie eine distanzierte Haltung zu Botschaften der DDR, ja eine versteckte Kritik an ihrem aktuellen Selbstbewusstsein, wenn nicht gar eine Vision zeigten, die in die Zukunft der Wiedervereinigung wies. Worüber erschrak Mattheuer in seinem Doppelporträt von 1977 nackt, im Dunkel eines Feldes grell beleuchtet? Vor Volkspolizisten, die ihn suchten? Vor einem Staat, der keine Freiheit zuließ? Vor einer Ausweglosigkeit? Das war keine Verzweiflung wie im „Schrei“ von Edvard Munch, aber eine monumentale Gebärde der Abwehr gegen eine Macht, vor man nur flüchten kann. In diesem politischen Tauwetter der 80er Jahre erschien die Neue Galerie mit der Sammlung Ludwig als ein Pionier der Öffnung, andere Sammler und Kuratoren folgten.