Zur Ausstellung „Die Erfindung der Neuen Wilden“ im Ludwig Forum für internationale Kunst in Aachen
„Street Art“
Seit 1974 hing Renato Guttusos großes Historienbild „Mai 68“ in der Neuen Galerie – Sammlung Ludwig in Aachen. Die Pariser Revolte erzeugte ein Erdbeben, das auch dort gespürt wurde. Erste Hausbesetzungen – Erste Graffiti-Ausstellung: die Photoglyphe Gordon Matta-Clarks mit einem ganzen Subway-Zug – mit Spraygun-Tags bedeckt. 1978 schreckten die Aachener vor großen farbig gemalten, beschrifteten Wandbildern in verschiedenen Straßen auf:„Irrenhaus“, „Angst“, „Es herrscht immer Krieg in den Fabriken“ und, 1979, „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Wer arbeitete dort im Untergrund? Endlich entdeckte man das Malerpaar unter den Besetzern des Johannes-Höver-Hauses in der Apsis der Kapelle an seinem Riesenbild „David und Goliath“. Es arbeitete nachts rechtlos und verfolgt wie die Graffiti-Writer, malte keine Signets, keine Tags, keine persönlichen Botschaften, sondern folgte Anstößen aus dem sozialen Raum, äußerte Albträume über die Ängste der Schüler, der Schwulen, empörte sich über die Neonazis, den grassierenden Faschismus und die Gefahren der Atomenergie. Die kantige grafische Bildsprache, die an Bilder von Guittuso und „Guernica“ von Picasso erinnert, wurde zum Markenzeichen des einen, die spielerischen, kurvenreichen Linien kennzeichneten den anderen. Im Projekt der „Nouveaux Fauves –Neuen Wilden“ sollten sie ebenso ihren Platz finden wie der „Wild Style“ der New Yorker.1984 stellte die Neue Galerie 58 ihrer Fotografien der realisierten Werke aus, feierte die Autoren unter ihren Ku klux Kan-Kapuzen – und erwarb die Fotos für die Sammlung. Klaus Paier und Josef Stöhr verdienen unter den Neuen Wilden der frühen 80er Jahre ebenso einen Platz, auch wenn sie nicht wie Lee Quinones in New York, sondern in Aachen gearbeitet haben. Beide sind Teil einer „Street Art“-Bewegung, die sich jenseits der Museen ausbreitet und ihre Selbstverständnis angreift.
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