Zu der Ausstellung „Die Erfindung der Neuen Wilden“ im Ludwig Forum für internationale Kunst in Aachen 2018
Thomas Lanigan-Schmidt, der Revolutionär
Die „Neuen Wilden“, die ich 1980 in der Neuen Galerie ausstellte, die nicht den akademischen Regeln folgten, die nicht gemäß bürgerlichen Ordnungen lebten, die nicht an das glaubten, was die meisten glaubten, waren Revolutionäre verschiedener Art. Thomas Lanigan-Schmidt ist bis heute in New York berühmt als Teilnehmer der Stonewall Rebellion im Juni 1969, einer Serie von spontanen, aggressiven Demonstrationen der gay community in Greenwich Vilage. Mit ihr begann die weltweite Emanzipation der LGBT. Die „Iconostasis“, die ich 1978 in der Holly Solomon Galerie staunend betrachtete und in die Aachener Ausstellung holte, besteht aus Cellophan, Staniol, Einpackpapier auf Holzrahmen, mit Acryl bemalt. Sie war ein Faustschlag in die Konventionen einer Galerie moderner Kunst, eine Provokation aller akademischen Maler, und noch 2012 nannte PS 1 seine Retrospektive „Tender Love Among the Junk“ (Zärtliche Liebe im Müll). Der Anti-Künstler war ein Eigenbrötler wie der Vorgänger, den er verehrte: James Hampton, ein Sonderling in Washington, dessen „ Throne of the Third Heaven of the Nations’ Millennium General Assembly“, ein religiöser „Thronsaal“ aus Abfall nach seinem Tod in einer Garage aufgefunden wurde, viel von sich reden machte und heute im Smithsonian Museum steht – wie die „Iconostasis“ im Ludwig Forum in Aachen. Beide arbeiteten sozusagen in Sakristeien des christlichen Glaubens und unterliefen die Standards der zeitgenössischen „heidnischen“ Kunst, ihrer Kritik und ihres Handels. Sie schufen eine neue „biblia pauperum“ – und die Künstler, Kritiker und Sammler begannen sie zu lieben. Der Maler Robert Kushner lobte später seinen kühnen, degenscharfen Witz, seine Subversivität und opulente Schönheit. Unter den Argumenten, die den Künstlern der 60er Jahre dienten, um zu revoltieren, neue Paradigmen der Kunst und des menschlichen Zusammenlebens zu fordern, ist das des Heiligen Franziskus sicher das ungewöhnlichste.
Heute eröffnet das Ludwig Forum die Ausstellung „Die Erfindung der Neuen Wilden“ und ergänzt die Ausstellung „Pattern Painting“. Beide zusammen und die Franzosen von support surface bildeten 1980 die Ausstellung „Les Nouveaux Fauves – Die Neuen Wilden“.