Zum Hambacher Forst
Sandro Botticelli „Ein Traum des Nastagio degli Onesti“ 1483 nach der Erzählung im „Decamerone“ des Giovanni Boccaccio
Zwischen den Stämmen der Buchen und Eichen im Hambacher Forst habe ich an den Pinienwald des Sandro Botticelli am Ufer des Ionischen Meeres vor Ravenna gedacht. Er bietet keine angsterregende Wildnis wie der deutsche Wald von Albrecht Altdorfer, sondern Erholung den Spaziergängern wie jenem Nastagio, dessen grausamen Traum Boccaccio beschreibt. Dem gewappneten Ritter Altdorfers entspricht hier ein zornentbrannter, das Schwert schwingender, auf einem Schimmel galoppierender Cavaliere, ihm voran sein Hund, und beide stürzen sich auf eine fast nackte verzweifelte Frau, die vor ihnen händeringend flieht. Nastagio versucht mit einem Strauch. den Hund zurück zu scheuchen. Ein Reh grast im Wald. Eine große Stille umgibt. das Drama, das in 3 anderen Tafeln fortgeführt wird.
Nein, ich habe im Hambacher Forst keinen berittenen Polizisten gesehen, aber durchaus angemessen erschien mir die Geste, mit der die Bataillone ihre Sturmhauben über die Köpfe stülpten und aufgereiht dem Wald nahten; und keine der jungen Frauen dort war unbekleidet und floh verzweifelt vor ihnen. Aber die Allegorie der Aggression des Mächtigen, Geschützten gegen die ungeschützte, entblößte, verzweifelte Frau und die hilflose Gebärde des Zuschauenden, der nach einem Baumast greift, hat mich denn doch so beschäftigt, dass ich mir für die endgültige Entscheidung über das Schicksal des Forstes nur eine friedliche Einigung zwischen Partnern gleicher Entscheidungskraft vorstellen mag.